Sterben


Das Lager besaß ein sogenanntes Krankenrevier. Meistens war es vollkommen überbelegt. Hygienische sanitäre Einrichtungen gab es nicht. Die Gefangenen mußten, unabhängig von der Schwere der Erkrankung, bei Wind und Wetter den Weg zur allgemeinen Latrine gehen. Die bestand aus 8 Tonnen, über denen ein Brett mit entsprechenden Löchern lag. Zeitweilig arbeiteten hier 2 Häftlingsärzte. Medikamente gab es so gut wie nicht. Ein Maurer, als Sanitäter tätig, führte auch Operationen ohne Betäubung durch. Das Skalpell desinfizierte er mit Benzin. Während einer „Magenoperation“ hielten andere Gefangene den Patienten fest.

Der Schandelaher Arzt, Dr. Fritz Zschirpe, besichtigte zu Beginn das Krankenrevier. Einfluß auf die Bedingungen konnte er nicht nehmen. Er wurde nur ins Lager gerufen, um Todesscheine auszustellen.

Auch die allgemeinen Lebensumstände der Gefangenen waren unmenschlich. Das gesamte Häftlingslager, das von den Betriebsanlagen getrennt auf der südlichen Seite der Straße lag, war durch Ungeziefer verseucht. Kleidung konnten die Gefangenen selten wechseln oder waschen. Um sich vor Kälte zu schützen, steckten viele Männer trotz Verbots leere Zementtüten unter ihre Kleidung. Wurden sie damit erwischt, erhielten sie 25 Stockschläge. Bis Ende 1944 mußte das Wasser aus einem Nachbarort herangefahren werden. Da das nur unregelmäßig geschah, konnten sich die Gefangenen auch nur manchmal waschen. 15 gefüllte Wassereimer mußten den Männern für ihre Hygiene reichen. Es gab eine Häftlingskolonne von ca. 14 Mann, die nur für die Wasserversorgung zuständig war. Später erhielt auch das Häftlingslager einen Wasseranschluß, der allerdings häufig einfrohr.

Das Notizbuch von Dr. Zschirpe belegt 129 Tote zwischen November und April 1945. Nach Aussage von Überlebenden sind aus dem Krankenrevier während der knapp 12monatigen Existenz des Lagers dreimal Gefangene nach Neuengamme zurückgebracht worden, ungefähr 300. Insgesamt sollen nach Angaben von ehemaligen Gefangenen in Schandelah 200 Männer umgekommen sein. 20 Männer seien auf der Flucht erschossen und fünf von SS – Wächtern erschlagen worden. Die genaue Zahl der Opfer dieses Neuengammer Außenlagers wird nie genau zu bestimmen sein.

Die Toten wurden nach mehrtägiger Zwischenlagerung an der Latrine anfangs in ein Krematorium nach Salzgitter-Drütte transportiert. Später ließ Ebsen einen Lagerfriedhof anlegen. Um Holz zu sparen, wurden gleich drei Tote in einem Sarg vergraben. Als kein Sargholz mehr zur Verfügung stand, konnten die Leichen nur noch verscharrt werden. Jedes Grab erhielt auf Anordnung von Ebsen ein kleines Holzkreuz. Ende März 1945 ließ er auf Befehl aus Neuengamme die Grabkreuze beseitigen und den Friedhof umpflügen. Die Stelle des einstigen Lagerfriedhofes konnte erst im Frühjahr 2004 bei Forstarbeiten ca. einen Kilometer nördlich des einstigen Lagergeländes gefunden werden. Deutlich erkennbar sind mit Wasser gefüllte ehemalige Grablöcher.