Neben jahrzehntelanger Aufklärungsarbeit über die Zeit des Nationalsozialismus habe ich „nebenbei“ viel Material vielfältigster Weise und massenweise Literatur zu fast allen Themen gesammelt. Ich nenne es das „Heimatgeschichtliche Archiv Wolfenbüttel“. Mit zunehmendem Alter stelle ich mir die Frage: Was wird aus diesem Archiv nach meinem Tod? In Wolfenbüttel sind in den letzten Jahrzehnten einige Sammlungen im Müll gelandet, nachdem deren Initiatoren gestorben waren. Dieses Ende soll mein Archiv nicht „erleiden“.
Ich habe bereits einige Lösungen versucht:
Die CDU-Kreistagsfraktion hatte im Kreistag Wolfenbüttel auf meine und der Initiative des CDU Landtagsabgeordnetenbeantragt Frank Oesterhelweg beantragt, ein Kreismagazin für Vorlässe oder Nachlässe einzurichten. Mehrere Jahre lang wurde darüber diskutiert. Es gab am Ende der Diskussion sogar ein gutes Konzept. Schließlich hat die SPD mit ihrer Mehrheit das Projekt abgelehnt.
Die Stadt Wolfenbüttel mit zwei Museen hat kein Interesse an den Sammlungen.
Eine Aufnahme in den Standort Wolfenbüttel des Landesarchivs Niedersachen mit Versteck-artiger und zutiefst bürokratischer Konzeption möchte ich gar nicht. Mein Archiv soll – vor allem für junge Menschen – leicht und offen zugänglich sein.
Es gibt zwei Orte, an denen eventuell zwei Teile meines Archivs aufgenommen werden könnten, eine sehr vage Annahme.
Nach all der vergeblichen Mühe habe ich mich nun an Wolfenbütteler Schulen (Januar 2023)gewandt mit der Frage, ob mit der Übernahme vielleicht ein geschichtliches Projekt daraus gestaltet werden könnte.
Empfänger dieses Schreiben: Wolfenbütteler Schulen:
Erich-Kästner-Hauptschule, Cranachstraße
Leibniz-Realschule, Cranachstraße
Gymnasium Große Schule, Rosenwall
Gymnasium im Schloss, Schlossplatz
Theodor-Heus-Gymnasium, Karl-von-Hörsten-Straße
Integrierte Gesamtschule Wallstraße, Wallstraße
Henriette-Breymann-Gesamtschule, Ravensberger Straße
Carl-Gotthard-Langhans-Schule, Wilhelm-Brandes-Schule
Diakonie-Kolleg Wolfenbüttel, Am Exer
Oskar-Kämmer-Schule, Wullenweberstraße
Bildungszentrum Wolfenbüttel, Harzstraße
Nachrichtlich an:
Stadt Wolfenbüttel, Ausschuss für Kultur, Tourismus und Städtepartnerschaften
Stadt Wolfenbüttel, Ausschuss für Schulwesen
Wolfenbüttel, Bürgermeister Ivica Lukanic
Stadt Wolfenbüttel, Alexandra Hupp
Stadt Wolfenbüttel, (alt)Bürgermeister Thomas Pink
Landkreis Wolfenbüttel, Ausschuss für Schule und Sport
Wolfenbüttel, Jan Schröder, MdL
Niedersächsisches Kultusministerium, Frau Ministerin Julia Willie-Hamburg
Herrn Dr. Kristlieb Adloff
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften
“Nur nicht vergessen. Kein Vergessen! Erinnerungskultur, das ist nichts, was wir irgendwann erledigt haben.“
Schülerinnen Bo Steffens und Josefine Dirwehlis von der Sally-Perel-Gesamtschule in Braunschweig anlässlich der Trauerfeier für Sally Perel am 15. Februar. (BZ, 16.2.2023)
Betr. Geschichte des Nationalsozialismus und Erinnerungskultur in Wolfenbüttel
Sehr geehrte Leiterinnen und Leiter der oben genannten Schulen,
sehr geehrte Damen und Herren,
die Stadt Wolfenbüttel gilt in der niedersächsischen Geschichtsforschung zum Nationalsozialismus durch die Gründung einer der ersten NSDAP-Ortsgruppen in Norddeutschland am 22.11.1922 als „Keimzelle des Nationalsozialismus“. Zum 10-jährigen Bestehen der Ortsgruppe ist diese Aussage in der Wolfenbütteler Zeitung überliefert: „NSDAP_Kreisleiter und Landtagsabgeordneter Kurt Bertram überreichte der Ortsgruppe ein von Hitler gestiftetes Hitlerbild und hielt die Festrede. Er begann mit einem voller Stolz und Siegesgewissheit erfüllten Satz: „Wenn einst die Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung geschrieben wird, muß die Ortsgruppe Wolfenbüttel darin einen Ehrenplatz einnehmen. Ehe man sich anderswo mit der nationalen Bewegung befaßte, habe Wolfenbüttel bereits eine starke Ortsgruppe gehabt. Wir sind immer anderen Orten und Ländern voraus gewesen.“
Am 3. Mai 1933 berichtete die Wolfenbütteler Zeitung über eine Versammlung der „ersten rein nationalsozialistischen Stadtverordnetenversammlung“, in der Adolf Hitler zum Ehrenbürger ernannt wurde. Neben 23 anderen Städten verlieh Wolfenbüttel im März 1937 dann auch noch dem Innenminister Frick anlässlich seines 60. Geburtstages die Ehrenbürgerrechte. Bürgermeister Ramin reiste extra nach Berlin, um dort die Urkunde zu überreichen. In seiner Ansprache wies er darauf hin, „daß die Stadt Wolfenbüttel es war, von der aus die Idee des Führers hinausgetragen wurde in die niedersächsischen Lande und diese mit nationalsozialistischem Geiste erfüllte.“ Als Wolfenbüttel im April 1940 die 400jährigen Stadtrechte feierte, erhielt der nach 1950 mit Hilfe von Fritz Bauer als Verbrecher verurteilte Dietrich Klagges die Ehrenbürgerwürde – und blieb Ehrenbürger bis zu seinem Tod 1971.
Meine erste Begegnung mit dem Nationalsozialismus hatte ich schulisch in den 1960er Jahren. Seitdem befasse ich mich mit diesem Thema, dessen eine Folge, die Zonengrenze bei meinem Heimatort Watenstedt, Kreis Helmstedt, täglich vor mir lag. Im Rahmen meiner Suche nach mehr und mehr Informationen ist im Laufe der Jahrzehnte ein Archiv und eine Bibliothek zustande gekommen, das und die ich in vielerlei Weise für meine ständig fortgeführten Recherchen nutzen konnte und weiterhin nutze. Entstanden sind daraus bisher vier Bücher zur Wolfenbütteler jüdischen Geschichte, daher auch viele Kontakte zu Überlebenden und Angehörigen jüdischer Wolfenbütteler Familien. Gemeinsam mit Herrn Adloff und tiefem Interesse und Engagement einiger Wolfenbütteler Schulen konnten wir 98 Stolpersteine setzen. Meine vor langer Zeit eröffnete Website „www.ns-spurensuche.de“ hat bis jetzt mehr als 565.000 Besucher gehabt. Zurzeit arbeite ich noch an einem Buch mit dem Titel „Die Lessingstadt auf dem Weg in die Diktatur 1919-1933“. Über die Jahre konnte ich anderen ehrenamtlichen Historikerinnen und Historikern mit Informationen aus meinem Archiv helfen, vor allem auch Schülerinnen und Schülern und Studenten bei ihren Arbeiten zum Thema, Interessenten auch aus mehreren europäischen Ländern.
Warum schreibe ich Ihnen dieses?
Bitte verstehen Sie es nicht als Selbstbelobigung, sondern als meinen starken Wunsch, Archiv und Bibliothek in die Hände interessierter Personen, Erwachsener und besonders Schülerinnen und Schüler zu geben, die meine Sammlungen in den kommenden Jahrzehnten einerseits für ihre schulische Arbeit verwenden können, aber auch zur Erhaltung der in meinen Sammlungen aufgehobenen Belege zur deutschen NS-Geschichte, vor allem aber der Wolfenbütteler und regionalen NS-Geschichte. Ich kann mir gut vorstellen, meine Bibliothek und all die Sammlungen vieler Papiere und Fotografien, die ich auch als eine Gedenkstätte verstehe, entweder einer Schule zu schenken, oder, sollte das zu viel sein, mehreren Schulen zu übergeben. Ein Verbund von Schulen könnte daraus ein geschichtliches Projekt entstehen lassen, dass aktiv vor allem auch durch Schülerinnen und Schüler gestaltet, aufgebaut und erweitert werden könnte; es wäre direkter und vor allen Dingen auch ein taktiles Erleben von Geschichte, das durch digitalisierte Dokumente nicht erlebt werden kann.
Die Motivation zur Sammlung von Dokumenten und Büchern war immer und ist es noch verbunden mit dem Wunsch, dass jungen Menschen die Inhalte unbürokratisch, lebendig und vor allem vor Ort zur Verfügung stehen können. Gerade weil wir jetzt in einer Zeit leben, in der die letzten Zeitzeugen für Informationen nicht mehr zur Verfügung stehen werden; der Tod von Sally Perel belegt das gerade für unsere Region.
Dieses von mir so sehr erhoffte „Schularchiv“ wäre auch eine wichtige Grundlage zur Erhaltung der bestehenden Kontakte zu Nachkommen der jüdischen Familien z.B. in Israel, Chile, England und andere Länder. Ihnen würde es sehr gefallen, da bin ich mir sehr sicher, wenn sie bei zukünftigen Besuchen junge Menschen erleben können, die die von ihren Familien gekommenen und hier aufbewahrten Dokumente, Fotografien usw. von jungen Deutschen sicher bewahrt werden. Im Jahr 2022 haben Familienangehörige aus Israel, Chile und England Wolfenbüttel erneut besucht. Mindestens ein Besuch ist bereits für dieses Jahr 2023 angekündigt worden.
Die Stadt Wolfenbüttel hat an der Übernahme dieses geschichtlichen Projekts kein Interesse.
Über die Schenkung müsste ein Vertrag abgeschlossen werden.
Überblick über Archiv und Bibliothek
Bibliothek
Ca. 10.000 Bücher – Ca. 800 Bücher zur jüdischen Geschichte (Judentum, Antisemitismus, usw.)
– Bücher zur Geschichte der Stadt Wolfenbüttel über mehrere Zeitabschnitte
– Bücher zum Landkreis Wolfenbüttel
– Bücher lokaler Autoren- alt und neu
– Bücher zu Lessing, Raabe und Busch
– Bücher zur NS-Geschichte der Stadt Braunschweig
– Bücher zur allgemeinen Geschichte der Stadt Braunschweig und der Region aus mehreren Zeitabschnitten, besonders auch jüdische Inhalte.
– Viele Jahrgänge des Braunschweiger Jahrbuches und anderer Zeitschriften
– Bücher zur Geschichte des Landes Niedersachsen
– Literatur zu Till Eulenspiegel (ca. 200 Stck.)
– NS-Originalliteratur und Literatur dem NS-nahestehenden Autoren und Schriftstellern
– Nachschlagewerke aus mehreren Zeitabschnitten
– Literatur zu Marxismus und Kommunismus und DDR (Deutsche Diktatorische Republik)
– Literatur zu Konzentrationslagern
– Literatur zu verschiedenen NS-Opfergruppen
– Umfassende Literatur zur NS-Geschichte mit vielen einzelnen Themenbereichen
– Umfassende Literatur zum (Ersten Weltkrieg) und besonders zum Zweiten Weltkrieg
– Literatur zur NS-Verstrickung der Landeskirche Braunschweig
– Bücher zu Luther
– Bücher zum Nationalsozialismus in den Kirchen
– Literatur (DDR) um den Kaufmann und Schriftsteller Werner Ilberg
– Historische Atlanten
– Ortschroniken Deutschland und Region
– Schulen in WF
– Bücher zu Krankenmorden, zu Neuerkerode
– Bücher zum Rechtsradikalismus und „Neonazismus“
– Englischsprachige Bücher zum Nationalsozialismus
– Nachlagewerke
– v.a.m.
Archiv
Dokumente- und Zeitungsausschnittsammlung zu folgenden Themenbereichen
(Dokumente und Zeitungsartikel in ca. 800 Hängeordnern und diversen Aktenordnern)
– Jüdische Familien und Judentum allgemein
– Nationalsozialismus-Themenbereiche
– Konzentrationslager Schandelah und NS-Kinderheim Velpke
– Wolfenbütteler Zeitung, Artikel ab 1930 bis ca. 1940 (ebenso „Volksfreund)
– Zeitungsartikel über verschiedene Konzentrationslager
– Zeitungsartikel über NS in verschiedenen Ländern
– Zeitungsartikel zu NS-Opfern, usw.
– Zeitungsartikel und Papiere zum Missbrauch der Eulenspiegelfigur durch Nationalisten
– Zeitungsartikel und Publikationen zum Rechtsradikalismus und Neonazismus
– Digitales Archiv (Sammlung AfD)
– Zeitungsseiten zur Zeit der Wiedervereinigung, verschiedene Zeitungen und Zeitschriften
– Biografische Sammlungen zu Personen der Stadt Wolfenbüttel und der Region
– Zeitungsartikel zu Ausländerinnen und Ausländern in der Region und Flüchtlinge
– Über 60 gebundene Einzelbände der Braunschweiger Zeitung vom Zeitraum 1976 bis 89
– Volksfreund gebunden 1970er Jahre
– IG-Metall-Zeitung 1970er Jahre
– Umfangreiche Sammlung von original-Fotografien, erhalten von Angehörigen jüdischer Familien (siehe auch Gedenkgalerie im Rathaus Wolfenbüttel am Bürgerbüro) u.v.a.m.
Medien-Archiv
– Ca 60 Videos über NS-Themen (z.B. Auschwitz-Prozess)
– Tonbänder mit Zeitzeugengesprächen und Angehörigen jüdischer Familien
– Schallplatten mit Reden von NS-Führern
– Fotos und Negative zu Wahlkämpfen in WF, seit der 1970er Jahre, auch digitales Archiv
u.v.a.m.
Das Archiv enthält auch umfangreiche Sammlungen zur Kommunalpolitik im Landkreis Wolfenbüttel seit der 1970er Jahre und:
– Sammlung zur Atommülldeponie Asse II und Atom-Energie-Politik
– Sammlung zur Rettung des historischen Sickter Herrenhauses
– Jahrgänge des „Sickter Boten“
– Sammlung zur Umweltschutzpolitik im Landkreis Wolfenbüttel nach 1975
– Sammlung Parteienarchiv „Die Grünen“ seit 1978
– Sammlung zu anderen Parteien und Politikerinnen und Politiker
– Sammlung zur Kreistagspolitik
u.v.a.m.