Ein KZ entsteht


Anfang Mai 1944 trafen die ersten 50 Gefangenen aus dem KZ Neuengamme ein. Bis November wuchs die Zahl der Arbeitssklaven auf ca. 800 an. Ende März 1945 erreichte das Lager eine Stärke von ca. 1300 Mann. Aus dem KZ Porta Westfalica waren 500 Gefangene nach Schandelah gebracht worden. Je nach Belegungsstärke hausten in einer Baracke 250 bis 300 Gefangene. Die Innenausstattung bestand nur aus drei übereinander stehenden Holzpritschen. In den letzten Wochen vor der Befreiung mußten sich zwei Gefangene eine Pritsche teilen. Das Lager umgab ein elektrisch geladener Zaun.

Jerzy Budkiewicz, 1942 in Warschau wegen Widerstandes verhaftet, wurde zunächst im Gefängnis Pawiak inhaftiert. Nach der Deportation ins KZ Auschwitz arbeitete er bis August 1943 in einer Strafkompanie des KZ Birkenau. Ein Transport brachte ihn ins KZ Neuengamme. Er arbeitete im Hafenkommando und im Klinkerwerk. Von März 1944 bis Februar 1945 mußte er im KZ Wittenberge Sklavenarbeit leisten. Zurückgekehrt nach Neuengamme wurde er einige Tage später mit 200 Gefangenen nach Schandelah gebracht. Über dieses Lager berichtete er: „Es war schmutzig und wimmelte von Läusen. Die Baracken waren primitiv, die Häftlinge erschöpft und schlecht behandelt. Auch zivile Vorarbeiter taten sich nicht rühmlich hervor. Man verlangte Disziplin und Leistung von Menschen, die manchmal kaum noch auf den Beinen stehen konnten. Die mit Hieben von Kapos geschlagenen Häftlinge konnten mit eigener Kraft nicht aufstehen. Hier begegnete ich vielen Dänen und Bibelforschern. Das Schicksal einer ziemlich großen Anzahl von spanischen Kommunisten, den sogen. Rotspaniern, war besonders schwer. Viele verstanden nur spanisch und litten unter der schlechten Witterung und hungerten. Die Häftlingsrationen wurden regelmäßig gestohlen. Der Lagerkommandant, ein gewisser Ebsen, war ein schmutziger Typ, der noch im März 1945, als die Niederlage des Dritten Reiches schon kein Geheimnis mehr war, zu sagen wagte: Ihr seid hier, um zu arbeiten und zu verrecken.“

Es folgt die Abschrift eines Originaldukuments

„Steinöl G.m.b.H.
Braunschweig, den 25. April 1944
Oh/Go.
Aktennotiz
Betr.:Einsatz von KZ-Häftlingen in Schandelah. Besprechung mit Obersturmführer Schramm, Lager Neuengamme und Herrn Koch am 22.4.44.
Schr. hat sich am 22.4. mit Herrn Koch die errichteten Baracken angesehen. Sobald die Umzäunung (Pfähle und Stacheldraht) aufgestellt und das Eingangstor errichtet sind, kann der Abruf der Häftlinge erfolgen. Die Inneneinrichtung des Lagers übernehmen die Häftlinge. Wir haben dafür zu sorgen, dass die Einrichtungsgegenstände bis zum Eintreffen der Häftlinge an Ort und Stelle zur Verfügung stehen.
Schr. hält es für erforderlich, den Zaun elektrisch zu laden.
Zuständigkeit: Das Lager Schandelah untersteht Obersturmführer Schramm, Neuengamme, Telefon 21 45 96, Apparat 40. Für Verwaltungsfragen sind Hauptsturmführer Wetzel und Obersturmführer Schmitz zuständig, gleicher Fernsprechanschluß, Nebenstelle 16 oder 17.
Die Belegung des Lagers soll zum 29. d.M. erfolgen. Hierzu haben wir jedoch die Erklärung abzugeben, dass das Lager in dem eingangs geschilderten Sinne bezugsfertig ist.
Die Belegung der Baracke erfolgt zu 4 Räumen à 32 Betten = 128 Mann.
Schr. empfahl, das in anderen Lagern auch übliche Prämiensystem einzuführen, d.h. den Häftlingen werden wöchentlich für besondere Arbeitsleistungen Prämienbons ausgehändigt, für die sie in einer noch zu errichtenden Kantine Nahrungsmittel bezw. Gebrauchsgegenstände kaufen können. Er empfahl uns, das Prämiensystem so aufzuziehen, dass pro Woche bis höchstens RM 5,- jeweils herauskommen.
Sämtliche entstehenden Kosten werden verrechnet. Sind Häftlinge krank geworden, so werden diese aus der Unkostenbrechnung herausgenommen. Für Facharbeiter werden täglich RM 6,-, für Hilfsarbeiter täglich RM 4,- berechnet.“