Ein Bürgeoisie-Museum ohne Arbeiterschaft
In Wolfenbüttel ist ein neues Museum eröffnet worden. Es trägt den Namen „Bürger Museum“. Als vor ein paar Jahren über die Errichtung dieses stadtgeschichtlichen Museums diskutiert wurde, sollte es anders werden als das, was nun auf dem Bibliotheks-Campus am „Paul-Raabe-Platz“ in der ehemaligen „Jahn-Turnhalle“ eingerichtet worden ist. Gegenüber der Braunschweiger Zeitung hatte sich im November 2005 der damalige Leiter des Schlossmuseums, Dr. Henning Grote, so geäußert: Die Geschichte Wolfenbüttels seit 1750 muss aus der Sicht der Einwohner dargestellt werden. Und: Wir brauchen Geschichte von unten, Informationen über Proletarier und Großbürger. Dr. Paul Raabe, Direktor der Herzog August Bibliothek bis 1991 und Ehrenbürger der Stadt, hatte sich eine Verwirklichung des Projektes nur nach der Aufstellung eines auf breite Forschung gestützten Konzeptes vorstellen können. Was ist daraus geworden? Keinesfalls das, was vor 12 Jahren angedacht worden war.
In Wolfenbüttel sind verschiedene Bildungs-Institutionen vertreten: Die „Herzog August Bibliothek“, die „Bundesakademie für kulturelle Bildung“, des Landkreis-„Bildungszentrum“, die „Evangelischen Erwachsenenbildung“, das „Niedersächsischen Staatsarchiv“, die „Landesmusikakademie Niedersachsen“ und die „Lessing-Akademie“. Die Stadt Wolfenbüttel hat sich schon vor langer Zeit den Titel „Lessing-Stadt“ verliehen und nennt sich gar nicht nur ironisch die „heimliche Kulturhauptstadt Niedersachsens“.
Mit dieser Ballung von Kultur-Fachwissen sollte man glauben, dass ein neu eröffnetes Museum diese Kompetenz widerspiegelt. Doch leider ist es nicht so. Das „Bürger Museum“ Wolfenbüttel bietet selektierte Informationen zur Einwohnerschaft und auffällige Darstellungchen zur Geschichte des Dritten Reiches.
Sie finden hier meine Stellungnahme zu diesen Inhalten. Ihr liegt eine jahrzehntelange und intensive Beschäftigung mit der Geschichte des Nationalsozialismus zugrunde, besonders zentriert auf das Land Braunschweig und speziell zur Stadt Wolfenbüttel. Die Inhalte des Museums sind der aktuelle Höhepunkt einer Fehlentwicklung vieler Jahre, auf die ich oft hingewiesen habe und die von den meisten Mitgliedern des Stadtrates liebend gern ignoriert worden sind. Aus dem Protokoll über die Sitzung des städtischen Kulturausschusses am 11. Februar 2016 finde ich dieses Zitat der Leiterin des Schloss-Museums und Gestalterin des „Bürger Museums“: Sie betont, dass das Museum mit Selbstbewusstsein in der Öffentlichkeit auftreten könne, da es die Stadtgeschichte Wolfenbüttel präsentiere.
Ich muss die einseitige inhaltliche Ausrichtung des „Bürger Museums“ als eine klare Aussage und Leitlinie dieser Stadt zur Darstellung der Stadtgeschichte verstehen. Da hierzu aus meiner Sicht die Stolperstein-Erinnerungskultur nicht passt, werde ich meine konkrete Beteiligung daran im September dieses Jahres beenden. Keinesfalls einstellen werde ich allerdings meine kritische Sicht auf die wahrscheinliche Weiterentwicklung dieser einseitigen und oberflächlichen Geschichtsdokumentation durch städtische Historiker und durch einige Kommunalpolitiker und Politikerinnen. Ich bedaure diese Entwicklung in höchstem Maße. Geschichte ist kein Malkasten. Franz Barth.
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