Werbeträger Adolf Hitler
Der rasante Aufstieg Hitlers bis zur Übergabe der Macht an ihn am 30. Januar 1933 bewegte nicht nur national und rassistisch gesinnte Menschen, auch nicht nur die an Gewinnmaximierung interessierten industriellen Kreise, nein, auch kleine Unternehmer und Einzelpersonen glaubten, mit der steigenden Popularität des braunen Politikers profitable Geschäfte machen zu können. Der Phantasie der Entwicklung von Produkten im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Bewegung waren keine Grenzen gesetzt. Die Entwürfe rangierten zwischen geschmacklos, kitschig und anbiedernd.
Bereits im Mai berichtete die WZ über ein geplantes Gesetz zum Schutz der nationalen Symbole: “Man hofft in den beteiligten Kreisen, daß schon das Vorhandensein dieses Gesetzes die gewünschte Wirkung haben wird, da augenblicklich schon auf Grund der ersten Warnung eine gewisse Zurückhaltung zu beobachten ist. Es wird deshalb auch nicht mit unmittelbaren Verboten vorgegangen, sondern nur die Möglichkeit des Einschreitens geschaffen. Das Gesetz “soll sich gegen alle Erzeugnisse und Veranstaltunen richten, die einen entwürdigenden Missbrauch nationaler Symbole darstellen, gegen Dinge, die gegen die Würde und Heiligkeit der nationalen Symbole verstoßen. Was geeignet ist, gröblich das nationale Empfinden zu verletzen, soll bekämpft werden.“
Um die Bewegung vor Schaden zu bewahren, erließ das Preußische Staatsministerium im November 1933 schließlich Ausführungsbestimmungen zum Schutz der “nationalen Symbole“: “Dieses Gesetz sieht vor allem vor, daß die höheren Verwaltungsbehörde darüber entscheidet, ob Symbole der deutschen Geschichte, des deutschen Staates und der nationalen Erhebung in Deutschland öffentlich in einer Weise verwendet sind, die das Empfinden von der Würde dieser Symbole verletzt.“
Ein Redakteur des Volksfreund hatte sich im Dezember 1930 näher mit dem „Völkischen Beobachter“ befaßt und dabei, wie er schrieb, Lachkrämpfe bekommen. Zum rührendsten und vergnüglichsten Lesestoff, ließ er die Leser wissen, gehöre ohne Zweifel der Anzeigenteil, bei dessen Studium kein Auge trocken bleibe: Das Inserat eines Spielzeugfabrikanten reizte den linken Zeitungsmann, die Landtagsabgeordneten der Nazis, die sich wie Kinder aufführen und räuspern und spucken würden, lächerlich zu machen: Der Hersteller bot nationalsozialistische Spielwaren an: Parlamentarismus, das lustige NS-Unterhaltungsspiel für 1,90 Reichsmark; Bleisoldaten in SA-Uniform, eine 24er Schachtel mit Musikzeug in verstärker Ausführung und ein Segelschiffchen mit Hakenkreuzsiegel.
Ein Blechwarenfabrikant, der wisse, was das nationalsozialistische Gemüt zu Weihnachten brauche, vermutete in seinem Angebot wahrscheinlich den Knüller für die nächsten 1000 Jahre: Er offerierte „Hakenkreuz- und Runen-Ausstechformen für Weihnachtsbäckereien“ und bot Ortsgruppen Rabatt an.
Die Idee, das Hakenkreuz zur Umsatzförderung einzusetzen, war scheinbar sehr beliebt. Viele Unternehmer sahen in den meistens arbeitslosen SA-Männern ein noch ungenutztes Reservoir von Vertretern für ihre Waren. Der Kaffee-Importeur Christian aus Frankfurt teilte den „vielen Parteigenossen“, die sich für den Vertrieb seines „NS-Flaggenkaffees“ inte-ressierten, per Anzeige mit, sie müßten ihren Bewerbungen „Originalreferenzen der Ortsgruppenführer“ beifügen. Die Existenz dieses Nazi-Kaffees kommentierte der Volksfreund-Redakteur mit dem Satz: „Daß dieser gesetzlich geschützte Nazikaffee für Juden verboten ist, versteht sich am Rande.“
Geschmückt mit Hakenkreuzen warb eine Firma für den Kauf von „trust- und konzernfreier Schokolade“, um damit den Kampf gegen die Konzerne zu unterstützen. Vorrätig seien die Schokoladen: „Deutschland erwache (bitter)“ und „Ins Dritte Reich (Vollmilch)“ Auch dieser Skurrilität konnte der Artikelschreiber nicht widerstehen und stellte die kabarettreife Frage: „Wird der Schokoladenhändler nicht den Ausschluß aus der Hitlerpartei zu befürchten haben, wenn er so offen zugibt, daß Deutschlands Erwachen – bitter ist?“
Auf der Suche nach Originaldokumenten des NSDAP-Gaues Hannover Süd-Braunschweig, fand ich als Nebenprodukt meiner Recherche im Hannoverschen Staatsarchiv eine Akte mit Werbeideen vieler Firmen, die hochgerechnet auf die anderen Gaue vermuten läßt, daß viele Unternehmer in der NS-Bewegung eine Marktlücke erhofften. Dem Leser soll einige der den Nazi-Führern unterbreiteten Vorschläge kennenlernen.
Die Münchener Reichszeugmeisterei der NSDAP warnte die Gauleitung vor dem Erwerb einer zusammenklappbaren SA-Mütze. Sie käme als Uniformteil nicht in Frage, da „der Mechanismus innerhalb der Mütze bei Zusammenstößen zu sehr empfindlichen Kopfverletzungen führen“ könne. Ein hannoversches Mützengeschäft denunzierte die Berliner Firma Smolanski, von der Angebote über SA-Mützen vorlägen, als „rein jüdische Mützenfabrik“. Der NSDAP-Reichsgeschäftsführer Philipp Bouhler warnte per Presse vor „jüdischen Lieferanten“, die sich in „schamlos selbstsüchtiger Weise“ an SA-Männer heranmachten, „um ihnen minderwertige Uniformstücke“ zu verkaufen. Aus der Akte geht allerdings hervor, daß sich gerade auch „arische Geschäftsleute“ in einer Weise anbiederten, die man ausschließlich den Juden als Charaktereigenschaft zuschrieb.
Die Likörfabrik Peters wandte sich streng vertraulich an die NSDAP, um mit dem Angebot einer „fortlaufenden Kampf-Spende“ den Verkauf ihres „Alpenkräuter-Magenbitters Menschenfreund“ zu steigern. Die Firma stellte sich als alteingesessen vor und betonte, „von Anfang der Gründung im Jahre 1797 bis auf den heutigen Tag“ nur Inhaber gehabt zu haben, deren „rein arische Abstammung“ belegt werden könne. Der jetzige Besitzer gab sich viel Mühe, seine Vorstellungen von einer Zusammenarbeit bis in Einzelheiten aufzuschreiben: „Ich stelle in allen Ortsgruppen der NSDAP tüchtige, fleissige, zielbewußte, vertrauenswürdige, flotte Mitarbeiter an, die den Verkauf meiner Fabrikate nach meiner Initiative energisch in die Hand nehmen. Besucht werden sollten sämtliche Verkehrslokale der NSDAP (SA & SS-Lokale) sowie die befreundeten Gaststätten, auch die Lokale, in denen die Versammlungen und Festlichkeiten, z.B. Deutsche Abende, Sonnenwendfeiern, Armeemarschabende, Erntefeste etc. abgehalten werden, ebenso Delikatess-Feinkost- und Kolonialwarengeschäfte. Ohne daß der Verdienst dieser meiner Mitarbeiter in irgend einer Form geschmälert wird,“schwelgte der offenbar von unendlichen Umsätzten träumende Kaufmann, „bewillige ich von dem ordnungsgemäß abgewickelten Aufträgen bei monatlicher Abrechnung drei Prozent v.H. dem Kampffond der in Frage kommenden Ortsgruppen.“ Bei reger Auftragserteilung werde im Laufe des Jahres „ein nettes Sümmchen als Kampfspende“ der NSDAP zufließen. Mit der dem national-sozialistischen Kampf verbundenen Verkaufstrategie sah er sich offenbar schon als einer der Hauptfinanziers und war sich sicher, damit etwas geschaffen zu haben, „was sehr wichtig ist, eine über ganz Deutschland verbreitete Erstarkung des nationalsozialistischen Kampfgeistes“ zu erreichen. Schon auus dem Grunde müßte sein Vorschlag mit größtem Interesse aufgenommen und tatkräftig unterstützt werden. Bei seinem reiflich durchdachten Plan habe er sich von „unserem gemeinschaftlichen nationalso-zialistischen Grundsatz leiten lassen: „Arbeit und Brot“ – und: „Ausbreitung, Stärkung und Kräftigung des Nationalsozialismus unseres obersten Führers Adolf Hitler!!!!“
In ähnlicher Weise versuchte ein Pulloverfabrikant, das Mitglieder-Reservoir der NSDAP als Verkaufspersonal für seine derzeit schlecht absetzbaren Wollprodukte einzuspannen: Es ginge ihm wirtschaftlich so schlecht, „da die Inhaber der größeren Geschäfte durchweg jüdischer Nationalität“ seien.
Der Einfallsreichtum der Unternehmer war grenzenlos: Es gab Hakenkreuzzigarren, Kampf-Zigaretten, deren Packungen das Hakenkreuz trugen, das Gesellschaftsspiel „Der Nazi-Kampf“ für zwei bis sechs Personen, Hakenkreuz-Thermometer und sogar einen Hakenkreuz-Christbaum, dessen Verkauf im Rahmen der NSDAP Philipp Bouhler den Gauleitungen untersagte. Ebenso erging es einem „Kinder-Spielball mit Hakenkreuz“, den eine hannoversche Firma als das „sensationellste Propaganda-Mittel“ anpries: „Der Ball hat den Zweck, das Symbol unserer großen Bewegung in die Herzen unserer Kinder fest einzupflanzen und vor allen Dingen soll durch den Vertrieb der Bälle einer Anzahl von Parteigenossen eine gute Verdienstmöglichkeit geschaffen werden.“
Die vielen Angebote waren auch den Nazis schließlich zuwider, die sich immer stärker gegen die gewerbliche Nutzung ihres Emblems wehrten. Das gelang allerdings nur dort, wo das Hakenkreuz in Verbindung mit Adler und Eichenkranz mißbraucht wurde. Das einfache Hakenkreuz, teilte Bouhler seinen Parteigenossen mit, genieße keinen gesetzlichen Schutz. Er untersagte allen Parteidienststellen „umsatzprovisione Handelsgeschäfte“.
Ein Ortsgruppenleiter warnte davor, bald auch noch „Closettpapier mit dem Hoheitszeichen“ und dem Aufdruck „Heil Hitler“ angeboten zu bekommen. Für die Hitler-Jugend-Bannführung Braunschweig beschwerte sich Geschäftsführer Hermann Bolm über die „Verunglimpfung unserer heiligsten Symbole“, weil eine Münchener Firma eine Postkarte verkaufen wollte, auf der ein „vom Rotmord erschlagener SA-Mann, der mit entblöster Brust auf dem Pflaster liegt“, als Verkaufsschlager anbot.
Die NSDAP-Reichsleitung warnte im Oktober 1932 alle Gauleitungen vor unerwünschten Werbematerialien: “Täglich nimmt die Zahl derer zu, die die NSDAP und ihre Symbole zu geschäftlichen Zwecken missbrauchen wollen. Täglich laufen dutzende von Genehmigungsersuchen für Herstellung von Plaketten und Büsten des Führers, Freigabe irgendeines Symbols der Bewegung für Packungen, Gebrauchsgegenstände usw. ein. Solche Genehmigungen werden von der Reichsleitung grundsätzlich nicht erteilt.“
Im April 1933 wandte sich die Leitung der Tanner Hütte Eisengusswaren-Aktiengesellschaft an die NSDAP und wies auf ein von der Harzer Firma hergestelltes Relief des “Führers und Reichskanzlers“ hin. Die in großen Schwierigkeiten befindliche Firma wollte mit dem Verkauf der Hitler-Plakette in der Größe von 29 x 39 cm Arbeit für ihre Betriebsangehörigen schaffen. Sie bat die die Parteileitung um Hilfe beim Vertrieb des Produktes und wies darauf hin, dass Innenminister Klagges, der den ersten Abguss erhalten hatte, diesen als sehr gut bezeichnet hatte.
Im Oktober 1933 informierte das Reichsinnenministerium die Landesregierung über ein neues Produkt der Spielzeugindustrie: “SA-Leute in Uniform mit umgehängtem Gewehr als Spielzeugfiguren.“ Das Innenminister sah sich genötigt, die “Schaustellung und der Verkauf derartiger Figuren von bewaffneten SA-Leuten“ nicht gutheißen zu können, da diese Figuren den Eindruck erwecken müssen, als ob die SA eine bewaffnete Militärische Truppe sei.“ Offenbar wurden Probleme mit der Reichswehr befürchtet, die eifersüchtig und manchmal befremdet die Bewaffnung von SS und SA beobachtete. Das Ministerium bat um Schonung der “betroffenen Kreise der Wirtschaft“ und darum, keine Beschlagnahmungen vorzunehmen. Allerdings sollten die Unternehmen dahingehend belehrt werden, “daß die Herstellung und die Schaustellung und der Verkauf solcher Figuren eingestellt wird“.
Im November 1933 berichtete die WZ aus der “Schreckenskammer des Geschmacks“ über “Nationale Drops“. Neue Entscheidungen zum Schutz der nationalen Symbole hätten wieder ein paar geschmacklose Produkte ans Licht gebacht: “Da hat es wieder mit Hakenkreuzen bemalte Aschenbecher gegeben, Bonbons mit Hakenkreuzen sowie Handtücher als Paradehandtücher, auf denen der Kopf des Reichskanzlers Hiler in verstellter Form mit Hakenkreuz darunter abgebildet ist.“ Weiter sei das Hakenkreuz auf Gummiabsäzen angebracht sowie auf Geldausschüttern, im Handel gäbe es “nationale Drops“ mit den Farben schwarz-weiß-rot und dem Hakenkreuz. Einige Monate vorher berichtete die Lokalzeitung über das Verbot von Glasbüsten, die Hitler in SA-Uniform mit dem E.K. 1 darstellten. SS-Puppen aus gewöhnlichem Filz mit Holzwolle gefüttert, in karikaturistischer Verwendung des Hakenkreuzes Bonbons mit Hakenkreuzflagge, eine Schutzhülle für Streichholzschachteln mit rotem Druckknopf, der mit einem Hakenkreuz versehen war waren ebenso unerwünscht wie Packungen für Zigarrenkisten, auf denen über der Aufschrift “Mein Höchstes“ in roter Farbe ein burgenartiges Bauwerk dargestellt war, das die Form eine Hakenkreuzes zeigte.
Den Vogel schossen – allerdings ohne merkantilen Hintergrund – die Nazis aus Wolfenbüttel und Umgebung ab: Zum 1.Mai 1933 errichteten sie auf dem Ösel, einem kleinen Höhenzug südwestlich von Wolfenbüttel, ein acht Meter hohes und 15 Zentner schweres, aus alten Eisenträgern des früheren Kalibergwerkes Hedwigsburg hergestelltes Hakenkreuz. Der geistige Urheber sei der Besitzer des alten Kalibergwerkes gewesen, so die Landeszeitung, und zusammengeschweißt habe es ein Schmiedemeister aus Ohrum. In nächster Nähe sei auch eine “Hitler-Eiche“ gepflanzt worden.
Als in Hessisch-Lichtenau 1989 das Rathaus neu gedeckt wurde, tauchten nach historischer Vorlage hergestellte Dachziegel einer bayerischen Ziegelei auf, die Hakenkreuze trugen. Die Kriminalpolizei fand heraus, dass ein Mitarbeiter der Ziegelei offenbar in die Ziegel eines ganzen Brandes Hakenkreuze eingeritzt hatte. Die Ziegel wurden in der ganzen Bundesrepublik verkauft.
Quellen:
Wolfenbütteler Zeitung (WZ)
Volksfreund
Frankfurter Rundschau
Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover
Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel
Braunschweigische Landeszeitung