Arbeit


„Arbeitsschlacht“

Arbeitslied:

Wir säen grüne Saaten, wo andere Unkraut säen,
Wir woll’n als Werksoldaten getreu zur Heimat steh’n.
Und ob die Schar der Feigen auch vor Empörung braust,
Wir wollen Euch schon zeigen, die deutsche Arbeitsfaust.
Bespritzt ihr unsere Taten mit Lügen, Gift und Dreck,
Der Schritt der Werksoldaten geht über euch hinweg.
Doch wenn ein neuer Morgen den Freiheitskampf gebracht
Und über Not und Sorgen das deutsche Volk erwacht,
Dann lassen wir den Spaten und greifen zum Gewehr,
Und steh’ als Frontsoldaten im deutschen Freiheitsheer.

Bei der Behandlung dieses Themas kann der Autor leicht in den Verdacht geraten, nationalsozialistische Errungenschaften hervorzuheben. Diese Absicht besteht nicht. Dennoch muß auch diese Seite der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hingewiesen werden, die, wie z.B. der Bau neuer Siedlungen, darauf abzielte, den Lebensstandard der Menschen zu erhöhen. Die Erfolge wurden natürlich dafür genutzt, das Volk an den Nationalsozialismus zu binden, nicht zuletzt auch, um sie blind für schreckliche Seiten zu machen: Jüdische Bürgerinnen und Bürger und die Sinti-Bevölkerung waren davon ausgeschlossen. Im Gegenteil: Für sie galt genau das Gegenteil. Ihre Lebensbedingungen wurden gezielt verschlechtert und Ihre Würde zerstört, ihre Vermögen geraubt. Von Kraft-durch-Freude-Reisen (KDF) waren diese Bevölkerungsgruppen selbstverständlich ausgeschlossen.

Die Kreisleitung der NSDAP Wolfenbüttel veröffentlichte 1936 eine kleine Broschüre: “3 Jahre Aufbauarbeit im Kreise Wolfenbüttel.“ Dargestellt werden darin vor allem die Erfolge der “Arbeitsschlacht“ mit dem Resultat des Abbaus der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit sei im Landkreis Wolfenbüttel (ohne Amtsbezirk Bad Harzburg) von 5125 Arbeitslosen 1933 auf 44 1936 zurückgegangen. (1934: 1291 / 1935 / 1005) Ähnlich wie die Arbeitslosenzahlen hätten auch die Wohlfahrtsleistungen abgenommen.

Durch die Durchführung von “Notstandsarbeiten“ sind “der Arbeit entfremdete Volksgenossen wieder produktiv in das Wirtschaftsleben eingeschaltet“ worden. 1933 waren daran 1659 Männer beteiligt und 1935 nur noch 95. Die Notstandsarbeiter bauten Badeanstalten, versetzten Feldwege wieder in befahrbaren Zustand, errichteten Wasserbehälter und legten Wasserleitungen besonders in den Dörfern. Von den damals erbauten Badeanstalten profitieren heute noch Dörfer, zum Beispiel Sickte. Im dortigen Sickter Boten erschien 1984 ein Foto des Schwimmbades aus dem Jahr 1934 mit diesem die einstige nationalsozialistische Errungenschaft preisenden Text: ““Deutsche Jugend schwimmt!“ Das wird bald nicht mehr als ein Wunsch oder ein Befehl, sondern als eine Tatsache zu gelten haben, insbesondere als es auf die Landjugend Bezug hat. Auch im Bereich der Landesbauernschaft Braunschweig hat das Wort des Reichsbauernführers R. Walther Darré: “Schwimmen muß ein Volkssport werden; denn es ist eine der gesündesten Leibesübungen!“ gebührend Beachtung gefunden. Nachdem hier bereits im Jahre 1936 zahlreiche Schwimm- und Badegelegenheiten auf dem Lande geschaffen worden waren, wurde dieses Vorgehen im Jahre 1937 in verstärkten Maße fortgesetzt. Das hat zu dem Erfolg geführt, daß heute bereits 75 Schwimmbäder in braunschweigischen Dörfern vorhanden sind. Das bedeutet, daß 15 v.H. aller Ortschaften ein Schwimmbad besitzen. Dieser Weg wird auch in Zukunft weiter beschritten werden; denn das Ziel bleibt nach wie vor: “Kein Dorf ohne Schwimmbad!“ Auf obigem Bilde zeigen wir das musterhaft eingerichtete Schwimmbad in Obersickte, das in vorbildlicher, harmonischer Gemeinschaftsarbeit entstanden ist. Aus diesem Grunde wurde es von der Landesbauernschaft Braunschweig mit dem 1. Preis ausgezeichnet.“ Eine Qelle für diesen kommentarlos veröffentlichten Propagandatext, in dem der Nazi-Bauernführer wie der Minister einer aktuellen Regierung dargestellt wird, war nicht angegeben worden.

Ein Schwerpunkt nationalsozialistischer Arbeitsbeschaffung war der Wohnungsbau. Die vielen nach 1933 im Landkreis und im ganzen Reich erbauten Wohnungssiedlungen besonders für Kleine Leute-“Volksgenossen“ sind heute zu manchmal kaum noch zu erkennenden Ortsteilen geworden. Wegen der großen Wohnungsnot wurde 1934 in Wolfenbüttel die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft m.b.H. gegründet mit dem Ziel des “Kleinwohnungsbaus“ und von “Kleinsiedlungen“ zu errichten. So wurde z.B. am 21. März 1935 die Gemeinschaftssiedlung in der Lindener Straße mit 58 Siedlerstellen in Angriff genommen. Bereits am 15. Dezember konnten 58 Familien diese Häuser beziehen. Für 1936 war der Bau von 90 Siedlerstellen vorgesehen, 30 weitere in der Lindener Straße und 60 in den Landgemeinden. Hier fanden nicht nur Bauhandwerker Arbeit, der Baumarkt mit z.B. Ziegeleien und Kiesgruben und weiteren Betrieben schaffte weiter Arbeitsplätze. Zuckerfabriken erweiterten ihre Kapazitäten, und während des Baus des Wolfenbütteler Kalkwerkes fanden 90 Menschen Arbeit. Der Kreisgemeindeverband stellte Mittel zur Verfügung, um die Asseburg zu erhalten. Es wurde begonnen, die vernachlässigten Straßen zu erneuern und die Wolfenbütteler Altstadt zu sanieren.

Als i-Tüpfelchen obendrauf wurde die Organisation “Kraft-durch-Freude“ gegründet, deren Geschäftsstelle in der Langen Herzogstraße 26 lag, dem Haus, in dem die vertriebene jüdische Familie Reis eine Lotterie-Annahmestelle betrieben hatte. Einfache Arbeiter konnten mit ihren Familien Reisen in Landschaften und Länder buchen, von denen sie bisher nicht zu träumen gewagt hatten. Hierzu konnten frühzeitig “Reise-Sparmarken“ eworben werden. Die Zinsen dieser so eigenommenen Gelder finanzierten dann die grünstigen Preise der angebotenen Reisen. Kommentar der Wolfenbütteler NSDAP, der sicher von vielen Menschen freudig begrüßt wurde: “Es ist doch nur ein Zeichen der Volksgemeinschaft, wenn jeder einzelne auf den kleinen Zinsbetrag verzichtet, aber im ganzen Reiche wachsen diese kleinen Zinsen zu großen Summen an. Dadurch wird es erst “K.d.F.“ möglich, jedem Deutschen sein Vaterland bis in die letzten Winkel zu zeigen.“

Im Laufe des Jahres 1933 berichtete die WZ immer wieder in großer Aufmachung über die Arbeitsbeschaffung und den Arbeitsdienst. Aber auch solche Mitteilungen wurden den Lesern als Informationen angeboten: “Die Gemeinde Oestrich im Rheingau hat beschlossen, keinem Juden mehr an der Gemeinde-Dampfschiffahrtsagentur eine Fahrkarte zur Benutzung der Rheindampfer auszuhändigen. Die Juden seien nicht würdig, die deutschen Rheindampfer, die die Hakenkreuzfahne führten, zu benutzen. Die BTZ berichtete aus Quedlinburg: “Am Eingang des Quedlinburger Domes ließ der Oberbürgermeister einen Aushang mit dem Hinweis anbringen, daß Juden der Eintritt zum Dom und dem Museum nicht gestattet ist.“

“Schlagartig“ sollte Wolfenbüttel in die “Arbeitsschlacht eingreifen“. Zum 21. März waren die Bürger aufgerufen, sich auf dem Stadtmarkt zu versammeln. Hier wurde bekannt gegeben, an welchen Orten durch und mit Arbeit “gekämpft“ werden sollte: Bei Sanierungsarbeiten an der Oker sollten 150 Mann werken, die Siedlungsstraße würde ausgebaut werden, ebenso die Straße “Am kurzen Holze“. 15 Mann sollten bei Baggerarbeiten bei den städtischen Badeanstalten helfen, Putzarbeiten an einem 16-Familienhaus in der Ringstraße beendet und für eine Schule neue Möbel hergestellt werden. An diesen und anderen Projekten sollten ungefähr 200 Mann beschäftigt werden, um der Regierung nicht dabei zu helfen, “kiegerische Lorbeeren zu ernten“, sondern in “friedlicher Arbeit einem jeden Volksgenossen Arbeit und Brot zu verschaffen“. Wolfenbüttel erhielt in dieser “Aufbauzeit“ z.B. auch das Gesundheitsamt.

Am 31. März berichtete die WZ über einen Aufruf Hitlers und der Gauleitung zum Eintritt in den noch freiwilligen Arbeitsdienst (FAD). Hitler habe die Einführung der Arbeitsdienstpflicht als eine der wichtigsten kommenden Aufgaben bezeichnet. Der Deutsche Arbeitsdienst solle die “Erziehungsschule für unser Volk werden, um jeden jungen Deutschen jedes Standes und jedes Berufes sittlich, geistig und körperlich wehrhaft zu machen und dadurch die Grundlage für den Wiederaufstieg Deutschlands zu schaffen.“ Noch klarer formulierte es der Truppführer des DAD Wolfenbüttel, Waldemar Schmidt, im “Niedersächsischen Erzieher“ (Nr.5/1934), der Halbmonatszeitschrift des NS-Lehrerbundes: “Die schulpflichtige Jugend in diesem Sinne zu erziehen, ist Sache der Eltern und der Lehrerschaft, sowie der Jugendbewegung. Ein großer Teil der Eltern und Lehrer bedarf aber selbst noch der Erziehung zum nationalsozialistischen Staatsgedanken, weil sie sich nocht nicht frei machen können von der materialistischen Lebensauffassung der Vergangenheit; es fehlt ihnen noch die seelische und geistige Reife der neuen Zeit.
Die im liberalistischen Zeitalter erzogene reifere Jugend, die bereits der Schule entwachsen ist, hat eine zum Teil sehr mangelhafte Schul- und Heimerziehung genossen. Sollen nun diese völkisch noch nicht erfassten jungen Menschen Schritt halten mit der gewaltigen historischen Entwicklung, so ist ihnen das notwendige geistige Rüstzeug für den Lebenskampf zu geben. Die Jugend soll nicht nur mit dem Nationalsozialismus vertraut gemacht werden, sondern sie muß die Idee selbst miterleben, begreifen lernen. Nur so ist es möglich, sie erzieherisch als wertvolles Glied in den nationalsozialistischen Gemeinschaftsstaat einzureihen. Der lieberalistische “Ich-Gedanke“ einer vergangenen Epoche muß endgültig abgestreift werden, um an seine Stelle den neuen “Wir-Gedanken“ zu setzen: ich dien, ich bin nichts, mein Volk alles! Unter der Parole: “Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ soll fortan die junge Generation erzogen werden. Diese Aufgabe ist ureigenste und heiligste Verpflichtung des Arbeitsdienstes!“

3000 Arbeitsfreiwillige könnten sofort für die zahlreichen im Gau befindlichen Lager eingestellt werden. Jeder Deutsche unter 25 Jahren, sofern er beim Arbeitsamt angemeldet sei, könne eintreten. Die Dauer des Dienstes betrage 20 bzw. 40 Wochen. “Der Arbeitsfreiwillige bekommt:
a. gemeinsame Unterkunft
b. gute und reichliche Verpflegung
c. Arbeitskleidung, Schuhe, Mütze, Unterzeug
d. Freie Bahnfahrt vom Meldeort zur Arbeitsstätte und zurück
e. Ein Taschengeld von 0,30 RM pro Arbeitstag.
Arbeitsdienstwillige, die später siedeln wollen, können nach 12wöchiger Arbeitszeit einen Antrag auf Gutschrift von 1,50 RM arbeitstäglich auf Reichsschuldverschreibung zu Siedlungszwecken stellen. Dieser Antrag gilt rückwirkend für die ganze Dienstzeit.“
Erwartet wurden diese Verpflichtungen: Die wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden zu erfüllen, außerhalb der Arbeitszeit am gesamten inneren und äußeren Dienst des Lagers teilzunehmen: Wehr- und Geländesport, Formübungen, allgemeiner Sport, Unterricht, Vorträge, Spiele, Unterhaltungs- und Sprechabende, gemeinsamer Gesang, Wanderungen und Übungsmärsche.

Es wird offensichtlich, dass der Arbeitsdienst eine Vorstufe der schon bald verkündeten Wehrpflicht war. Das Ziel der Nazis war es, das Leben aller Bürger auf Kampf auszurichten. Die Militarisierung des alltäglichen Lebens wurde voran getrieben. Das Bedürfnis der Menschen nach sinnvoller Arbeit wurde missbraucht und in paramilitärische Abläufe gezwängt. Arbeit sollte nicht die persönliche Entfaltung fördern und die friedliche Entwicklung des Gemeinwesens voranbringen, sondern hatte hauptsächlich der Schaffung kollektiver Macht nach dem Prinzip zu dienen: Der Stärkere gewinnt. Der Stärkste führt. Der Führer befiehlt, und alle haben zu gehorchen.
Ein weiteres Ziel dieses noch freiwillligen Dienstes war es, junge Männer zu erkennen, die später im Pflichtdienst Führerstellungen einnehmen sollten: “Jeder Führer im Arbeitsdienst muß ein Kämpfer für einen deutschen Sozialismus sein.“

Im Mai führte die Kreisleitung der Deutschen Arbeitsfront einen Werbefeldzug durch die einzelnen Orte des Landkeises durch. Das Resultat waren 3900 Neuaufnahmen und die Erhöhung der Zahl der Mitglieder im Landkreis auf 6500. Mit den übrigen Verbänden seien nun 95 % aller “schaffenden deutschen Volksgenossen“ organisatorisch erfasst. Einigen Bauern, die ihren Landarbeitern gesagt hätten, sie sollten das Geld für die Mitgliedsbeiträge lieber sparen und nicht beitreten, wurden Konsequenzen angedroht: Das Gesetz zur nationalen Arbeit gebe dazu genügend Handhabe. Der Kreisbetriebszellenobmann und Kreisleiter der Deutschen Arbeitsfront, Petzold, erläuterte auch die Rolle der Betriebsführer: “Der Führer soll und muß in seinem Betriebe in jeder Beziehung im nationalsozialistischen Sinne vorleben, er soll nicht nur Befehlshaber, sondern vor allen Dingen Kamerad sein, er soll seine Arbeiter nicht als Knechte, sondern als Mitarbeiter betrachten.“

Auf einer “Großen Kundgebung für Arbeitsbeschaffung“ im September 1933 feierte Kreisdirektor Hinkel die Erfolge der Arbeitsschlacht und den Rückgang der Arbeitslosigkeit. Er kündigte die Bereitstellung von 300.000 RM an, um den Straßenbau zu anzukurbeln. Ein Sprecher der Handelskammer verglich die jetzige Zeit mit den verronnenen Jahren: “An Hilfsaktionen habe es auch in den vergangenen Jahren nicht gefehlt. Wenn man aber einen Rückblick auf die Behandlung des Arbeitslosenproblems der früheren 14 Jahre wirft, kommt man zu dem Schluß, daß alles nur ein “Tropfen auf den heißen Stein“ war. Die früheren Maßnahmen unter dem alten System konnten, wenn überhaupt, so doch nur bescheidene Teilerfolge zeitigen, weil nur liberalistisch, nicht aber volkspolitisch und deutsch gehandelt wurde.“ Im Zusammenhang mit den Ursachen der ganzen Problematik müssten auch diese Themen beachtet werden: “Altmaschinenhandel, Arbeitsstreckung und Einführung der 40-Stunden-Woche, Ersatz der Frauenarbeit durch Männerarbeit, die Frage der Doppelverdiener und Schwarzarbeiter.“

“Schafft Arbeit!“ hieß es im Dezember schon auf der ersten Seite der WZ. Die “Arbeitsbeschaffungsstelle“ beider Kreisdirektion rief alle “deutschen Volksgenossen“ auf, den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit mit aller Kraft zu führen: “Es ist nichts getan, wenn man das Wort Arbeitsbeschaffung nur in Worte prägt.“ Es sei genügend Arbeit vorhanden, “z.B. Instandssetzung-, Ergänzungs- und Umbauarbeiten. Fast in jedem Hause liegt ein Bedürfnis vor, eine Wohnung instandzusetzen, zu tapezieren, zu streichen, neue Treppen zu bauen, Wohnungen zu vergrößern, Erker zu Wohnunen auszubauen, alte Lichtleitungen durch neue zu ersetzen.“ Um hier voranzukommen, wurden die neuen Bestimmungen über die Gewährung von Reichszuschüssen dargelegt, mit denen praktisch alles in Haus und Hof finanziert werden konnte. Barzuschüsse gebe es nur, wenn die Gesamtkosten mindestens 100 RM betrügen. Diese Zuschüsse müssten aber unbedingt zur Mehreinstellung von Arbeitskräften führen. (Irgendwie kommen einige dieser Maßnahmen bekannt vor.)

Und wer sich weigerte, seine gemietete Wohnung renovieren zu lassen, galt schnell als Saboteur. Als Warnung ließ der Leiter der Arbeitsbeschaffungskommissionen, Kreisamtsleiter Lindemann, folgendes in der Lokalzeitung bekannt geben: “In letzter Zeit haben einige Mieter sich geweigert, die in ihren Wohnunen notwendigen Reparaturen und Instandsetzungsarbeiten ausführen zu lasen, mit der Ausrede, es gebe zu viel Schmutz und wirke störend. Diese Arbeiten sollten zum Zwecke der Arbeitsbeschaffung mit Reichszuschuß durchgeführt werden.
Wir machen darauf aufmerksam, daß dieses Benehmen der betreffen Mieter Sabotage gegen den Aufbau des Dritten Reiches ist, und daß dieselben als Staatsfeinde behandelt werden. Wir werden veranlassen, daß Zwangsmaßnahmen gegen dieses undeutsche Verhalten durchgeführt werden. Wir werden auch darauf achten, daß jede Schwarzarbeit geahndet wird.“

Die Bemühungen um die Arbeitsschlacht wurden kontinuierlich weitergeführt. Es folgten immer wieder Werbewochen, die auch mit Umzügen durch die Stadt verbunden waren. So auch im März 1934, als sich alle Innungen, Verbände und Betriebszellen abends auf dem Schloßplatz trafen, wo der Marsch begann. Die Zeitung hob besonders hervor, daß sich auch die norwegischen Schüler der Konditorenschule von Bernhard Lambrecht daran beteiligten. Es muß wieder eines dieser großen propagandistischen Ereignisse gewesen sein, die allein durch die imponierende Gestaltung Eindruck auf die Menschen machen sollten: “In vielen Fenstern und Fensterläden der Häuser brannten die rotschimmernden Lämpchen und warfen ihr magisches Licht auf die Straße. Außerdem waren, der Anordnung gemäß, sämtliche Läden hell erleuchtet. (Wie sich die jüdischen Ladeninhaber hierzu verhalten mußten, kann leider nicht geklärt werden.) Auf dem Stadtmarkt hielt Kreisleiter NS-Hago Lindemann eine Ansprache und informierte die Versammelten, der Führer habe nun zu einer zweiten Arbeitsschlacht aufgerufen. Wenn man dem Mittelstande helfen wolle, so müsse die Parole heißen: “Kauft nur deutsche Waren in deutschen Geschäften!“ Kurz vor 16 Uhr erschienen über der Stadt Flugzeuge und warfen Werbezettel ab, “auf die die Jugend regelrecht Jagd machten“.

Ein kurzer Blick in zwei Arbeitsdienstlager: In Destedt richtete die NSDAP-Kreisleitung Braunschweig im April 1933 in einem Häuserblock des Rittergutes für 80 Mann ein Lager ein. Die Männer brachten in

Nachbardörfer führende Straßen in Ordnung. Es wurde auch der mehrere Kilometer lange von Destedt in den Elm führende Holzweg mit Steindämmen und teilweise durch Knüppeldämme befestigt. Mit insgesamt 20.000 Tageswerken sollte eine gründliche Aufforstung des Dettumer Holzes vorgenommen und die Wege verbessert werden. Bemerkenswert sei, so die Lokalzeitung, dass in diesem Lager auch 20 Abiturienten ihr “Halbwerkjahr abdienen“. Das gesamte Destedter Lager stand unter der Leitung des Feldmeisters Deinert. Die in der Nähe liegenden Lager in Erkerode, Querum und Lehre, in denen bis zu 200 Mann arbeiteten, leitete Oberfeldmeister Senner.

Der Destedter Ortsrat veröffentlichte 2006 die Destedter Chronik, in der auch ein wenig die Nazizeit berührt wird. So liest man dort immerhin: Das Dritte Reich machte auch vor Destedt nicht Halt. So gab es auch hier Parteimitglieder, die Hitlerjugend und der BDM (Bund deutscher Mädchen) waren aktiv. Der Reichsarbeitsdienst (RSD) baute 1933 im Elm den “Forstmeister-Schreiber-Weg“ und setzte den Gedenkstein am Eingang zum alten Steintor.“

Eine besondere Art der Darstellung der Nazizeit praktiziert im Auftrage der Kommune der Schöppenstedter Heimatpfleger Ekkehard Thon. Ereignisse aus der Nazizeit platziert er in seinen Chroniken zwischen Ereignisse aus anderen Zeiten so, dass Leser und Betrachter, besonders die in vielleicht zwanzig oder dreißig Jahren, den Eindruck erhalten, dass sich die einzelnen Zeitabschnitte der Schöppenstedter Geschichte inhaltlich kaum voneinander unterscheiden: Alle waenr gute, alte Zeiten …..

Im Mai 1933 informierte der Schöppenstedter Ortsgruppenleiter die Einwohner über die Einrichtung eines Lagers in der Stadt. Die Belegschaft des Lagers sollte 217 Mann betragen. Da die in Schöppenstedt vorhandenen Betriebe nicht weiter entwicklungsfähig seien und neue Unternehmungen nicht gegründet werden könnten, wäre es unfassbar, wenn sich jemand gegen den Gedanken des Arbeitslagers stemmen würde. Der Ortsgruppenleiter führte den Schöppenstedtern die großen Vorteile vor Augen: Der Verdienst der Männer werde hauptsächlich in Schöppenstedter Geschäften bleiben, auch Gelder von Besuchern, Verwandten, Eltern und Freunden der Lagerinsassen. Das Straßenbild werde sich beleben, die Lokale sich füllen, die Veranstaltungen besser besucht werden und nicht zuletzt käme auch die “weibliche Bevölkerung zu ihrem Recht“.

Zwei Wochen später, am 3. Juni 1933, informierte die Elm-Zeitung Schöppenstedt über die voraussichtlichen Arbeiten und wies darauf hin, dass zur Gründung eines Arbeitsdienstlagers mindestens 80.000 Tagwerke nachzuweisen seien. Eine Kommission würde sich zur Zeit mit der Feststellung der für Schöppenstedt infrage kommenden Arbeiten befassen und deren Kosten ausrechnen: “Welche Arbeiten kommen für das Arbeitslager in Frage? Es ist selbstverständlich, daß nur “zusätzliche“ Arbeiten durchgeführt werden, d.h. solche Arbeiten, die ohne Arbeitsdienst niemals in Angriff genommen worden wären. Durch den Einsatz des Arbeitsdienstes dürfe die Beschäftigung der freien Wirtschaft nicht verringert und kein Arbeitnehmer aus seiner Stelle verdrängt werden. Arbeitsdienst richtig angesetzt, könne also niemal zu Lohndrückerei führen.
Aus der großen Fülle von Arbeitsplänen, die im Rahmen der Bestimmunen ausgeführt werden können, sollen nur folgende angeführt werden: “Bodenverbesserungen, Neukultivierungen, Siedlungen, Deichbauten, Reinigung der Gräben, Durchlässen, Entwässerungsarbeiten, Trockenlegung von Sümpfen, Einebnen von Löchern, Gruben, die Errichtung und Erweiterung von Badeanstalten, Wegebauten, Wegeverbesserungen und vieles andere mehr.“

Stadtheimatpfleger Thon veröffentlicht in seinem 2000 erschienenen Buch “Schöppenstedt – unsere Kleinstadt am Elm“ zwei Seiten über den Reichsarbeitsdienst in Schöppenstedt. In allen beigefügten Texten erscheint kein Hinweis auf das Dritte Reich oder die Nazizeit, diese Begriffe werden nicht erwähnt. Auf zwei Gruppenfotos, auf denen jeweils ein kleines Hakenkreuz zu sehen ist, sind die Reichsarbeitsmänner abgebildet. Unter einem Foto diese Unterschrift: “Vor dem späteren Gummiwerk 1935. Dieser Trupp baute damals die Stadtrandsiedlung.“ Geht man von den obigen Bestimmungen des RAD aus, dass z.B. keine Arbeiten ausgeführt werden durften, die eigentlich Firmen mit ihren Arbeitnehmern zustanden, erscheint die Aussage der Errichtung der Stadtrandsiedlung unglaubwürdig. Auf der gleichen Seite bietet Thon zwei Faksimiles von Textauszügen mit Erläuterungen der Begriffe Arbeitsdienst und Reichsarbeitdienst, offenbar aus einem Lexikon entnommen, allerdings ohne Quellenangabe. Unter einem Foto des Gebäudes des Gummiwerks veröffentlicht er einen Beitrag, offenbar einer (mir unbekannten) Zeitung entnommen: “F.Z. Wirtschaft 2.1.1939.“ Der unkommentierte Artikel mit NS-Begriffen endet mit diesem Satz: “Mag nun der Volksgenosse in Schöppenstedt erkennen, daß auch in seiner Stadt emsig und unverdrossen an ihrem Wohle gearbeitet wird; dann wird er in ihr gern verweilen und sie als seine wirkliche Heimat ansehen.“

Ihre Heimat aufgeben mußte die in Schöppenstedt beheimatete jüdische Familie Rosenbaum, die in keinem der von Thon herausgegebenen Bücher erwähnt wird. Eine genaue Beschreibung des Schicksals dieser schließlich aus Schöppenstedt geflohenen Familie enthält das Buch des Kreisheimatpflegers Markus Gröchtemeier: Nationalsozialismus auf dem Land.

Diese Art der Darstellung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, finanziert durch eine Kommune, die auf Kritik daran nicht reagiert, ist für mich der bewusste Versuch der Beschönigung des Dritten Reiches.

Ein Bericht über den Arbeitsdienst ohne Erwähnung der Autobahnen wäre wohl unvollständig – schon allein wegen des Klischees, die Idee der Autobahnen stamme von Hitler. Dem ist nicht so. Die Geschichte der deutschen Autobahnen beginnt mit dem Bau der AVUS in Berlin. Begonnen 1912 konnte diese Autobahn wegen des Krieges erst 1921 fertiggestellt werden. In Italien wurde eine erste Strecke 1924 fertiggestellt, 1935 besaß Italien bereits 487 km Autobahnen. In die zwanziger Jahre fallen die Planungen der deutschen Autobahnstrecken. Zwischen 1929 und 1932 wurde die erste Strecke zwischen Bonn und Köln fertigestellt. Hatte sich die NSDAP (Strasser) zunächst noch gegen Autobahnpläne gestellt, nutzte Hitler nach der Regierungsübernahme die Pläne mit seinem Gespür für propagandistische Zwecke und vor allem seiner Absicht, für Menschen Arbeit zu organisieren. Am 23. September 1933 begann mit dem ersten Spatenstich Hitlers der Beginn des Autobahnbaus im Dritten Reich. Auch als der Bau der Straßen in die Arbeitsschlacht aufgenommen wurde, konnte zu keiner Zeit die erhoffte hohe Zahl an Arbeitskräften eingesetzt werden. Der Bau der Autobahn aus Hannover nach Magdeburg und Berlin vorbei an Braunschweig und Königslutter wurde im Mai 1934 begonnen und 1937 vollendet. Natürlich hatte der Bau auch Auswirkungen auf die Verringerung von Arbeitslosenzahlen in der Region Braunschweig. Ein Familien-Album dokumentiert durch Fotos der neuen Autobahnbrücken bei Helmstedt, aufgenommen anläßlich von Sonntagsausflügen zu diesen imposanten Bauwerken, das Interesse der Bevölkerung und drückt nicht zuletzt auch die Bewunderung gegenüber diesen Erfolgen beim Bau der “Straßen des Führers“ aus. Wie leicht muß es gefallen sein, hiervon eingenommen zu werden.

Natürlich berichteten auch die Lokalzeitungen über die Fertigstellung der jeweiligen Bauabschnitte: Mitte Juli 1936 die Strecke von Braunschweig nach Lehrte – und am 17. August die 40 Kilometer von Braunschweig nach Helmstedt. Ab 18. August konnte die Reichsbahn-Kraftomnibuslinie Hannover – Braunschweig über die Autobahn geführt werden. Die Fertigstellung der Bauwerke nutzten die Nazi-Führer mit dem ihnen eigenen Pomp zur Propaganda. Auf dem Autobahnhof Braunschweig Ost erinnerte Ministerpräsident Klagges an angebliche Verleumdungen der Nationalsozialisten als Kriegshetzer: “Wohl sei nach der Machtübernahme der Ruf zur Schlacht erklungen, aber nicht gegen irgendwelche Völker, sondern gegen die großen Geiseln unserer Zeit und unseres Volkes: Arbeitslosigkeit und und Not.“ Werke des Aufbaues in jeder Richtung seien in diesen zweieinhalb Jahren entstanden, die noch nach Generationen, nach Jahrhunderten von dieser Zeit künden würden.

Hitler hatte bei der Eröffnung der Automobil- und Motorrad-Ausstellung am 11. Februar 1933 in Berlin eine programmatische Rede gehalten und Thesen zum Volkswagen und zum Autobahnbau verkündet: “Dieser müsste fünf Personen Platz bieten, eine Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern erreichen, sollte aber nicht mehr als sieben Liter Sprit verbrauchen und zum Preis von 990 Reichsmark zu haben sein.“ Zu den Autobahnen: “Wenn man früher die Lebenshöhe von Völkern oft nach der Kilometerzahl der Eisenbahnschienen zu messen versuchte, dann wird man in Zukunft die Kilometerzahl der für den Kraftverkehr geeigneten Straßen anzulegen haben.“

Diese Akündigunge zur Förderung des Kraftverkehrs – am 11. April trat eine Kraftfahrzeusteuerbefreiung für alle nach dem 31.3.1933 zugelassenen Fahrzeuge in Kraft – hatte auch Auswirkungen auf Wolfenbüttel. Hier begann die Diskussion um den Bau einer Großtankstelle. Verkehrsträchtige Standorte wie der Grüne Platz und eine Stelle vor der Herberge zur Heimat auf dem Kornmarkt gerieten vorrangig ins Blickfeld. Ein Ingenieur aus der Lindener Straße und der Tankwart der bereits vorhandenen “Leuna-Säule“ am Kornmarkt machten sich Gedanken über die Gestaltung und die Größe der Tankstellen und überhaupt. Nach Ansicht des Ingenieurs sei die Lessingstadt eine “Verkehrs-Stadt“. Mit dem Bau der Großtankstelle könnte man durchfahrenden Kraftfahrern zeigen, “daß der Zukunft Rechnung getragen“ werde. Er schlug den Bau am Grünen Platz vor – mit einer Verbesserung des Stadtbildes: Die Gestaltung könnte auf die Eigenart als Gartenstadt symbolisch hinweisen durch den Bau eines Glaspavillons vor dem Tankwärterhaus, in dem Blumen verkauft werden sollten. Für die Fliegerstadt Braunschweig, so phantasierte er, könne er sich eine Tankstelle in Form eines Flugzeuges vorstellen: Den Rumpf als Tankwärterhaus und die Flügel als Überdachung. Eine Großtankstelle könne durchaus ein Baudenkmal zur Verschönerung der Stadt sein.

Der Tankwart informierte, die Großtankstelle gegenüber der Hauptkirche sei als “nettes kleines Fachwerkhaus“ geplant, ohne Unterbrechung der Lindenallee. Der “guten alten Hauptkirche“ würde die Nähe der Tankstelle “kaum etwas ausmachen“, da die Anlage der Umgebung angepasst werden müsse: “… an die Häuschenecken ein paar grüne Büsche.“ Den auswärtigen Karftwagenbesitzern könnte der Besuch der Stadt ein Genuß sein, “denn am Parkplatz wird sein Wagen versorgt und bewacht, vor allem das Wichtigste, er kann des Nachts, ohne lange zu klingeln und zu warten, sofort tanken und dem warmen Bette zueilen.“

Quellen:
Gröchtemeier, Markus, Nationalsozialismus auf dem Land – Der Landkreis Wolfenbüttel in den Jahren 1933 bis 1945, Wolfenbüttel 2005
Thon, Ekkehard, Schöppenstedt – unsere Kleinstadt am Elm, Horb am Neckar 2000
Stommer, Rainer (Hg.), Reichsautobahn, Pyramiden des Dritten Reiches, Marburg 1982 Wolfenbütteler Zeitung (WZ)
Elm-Zeitung Schöppenstedt
Niedersächsischer Erzieher, Halbmonatsschrift des Nationalsozialistischen Lehrerbundes Gau Südhannover-Braunschweig
Pogan, Jörg-Eckehardt, Destedt, Geschichte und Geschichten einer Elmgemeinde, Destedt 2006
Overesch/Saal, Das III. Reich 1933 – 1939, Eine Tageschronik der Politik, Wirtschaft, Kultur, Augsburg 1991