Ein Friedhofsbuch


Der Wolfenbütteler jüdische Friedhof

Nach der Herausgabe eines Buches über den Wolfenbütteler jüdischen Friedhof veröffentlichte ich im Sommer 2005 eine kurze Stellungnahme, die hier leicht verändert vor allen für Besitzer des Buches zur Verfügung stehen soll.

Die Lessing-Akademie Wolfenbüttel und der jüdische Friedhof
Oder: Wie beschädigt man Erinnerung?

Ein Buch erscheint

Die Lessing-Akadmie Wolfenbüttel hat am 13.5. 2005 auf dem jüdischen Friedhof das Buch „Der jüdische Friedhof in Wolfenbüttel“ (Lessing-Akademie Wolfenbüttel, unter Mitwirkung des Steinheim-Instituts Duisburg) vorgestellt. Das 288-seitige Buch enthält zwei Schwerpunkte: Eine Einführung in die Thematik von Professor Dr. Ralf Busch bis Seite 58, eine vorzügliche Dokumentation der Grabsteine und Übersetzungen der hebräischen Inschriften sowie sehr guten Fotografien von Wolfgang Lange.

Dieses Buch war schon lange überfällig. Der Ursprung liegt im Jahr 1980.(Anmerkung 1) Ralf Busch übergab der Lessing-Akademie (damaliger Geschäftsführer Claus Ritterhoff) seinen Text bereits Ende 1994.
Die Braunschweiger Zeitung berichtete am 14. Mai 05 und zitierte den Präsidenten Jürgen Stenzel: “Dass das Werk nicht sogleich ausgeliefert werden kann, ist einem unglücklichen Umstand geschuldet: Der Wolfenbütteler Forscher Jürgen Kumlehn entdeckte einige Fehler in der Ausgabe. „Wir hatten Herrn Kumlehn nicht frühzeitig mit einbezogen. Das nehme ich auf meine Kappe“, erklärte Stenzel.“

Nach dem Tod von Claus Ritterhoff dümpelte die Lessing-Akademie ohne Geschäftsführer dahin, dazu kamen finanzielle Probleme. Nach der „Erholung“ und dem Wechsel im Präsidentenamt (Hinrichs zu Stenzel) ging es wieder voran – und man nahm auch wieder die Verpflichtung wahr, sich um die Kultur- und Sozialgeschichte des Judentums zu kümmern: Das Buch über den Friedhof konnte leider mangels Finanzierung lange nicht erscheinen, bis dann die Curt-Jägermeister-Stiftung und die Stadt Wolfenbüttel halfen.
Das Buch erschien mit einem Handicap: Der Busch-Text mit „Forschungsergebnissen“ aus den sechziger und achtziger Jahren – offenbar Anfang der neunziger Jahre verfasst – erschien in dem Buch offenbar ohne ihn vor der Veröffentlichung elf Jahre später überprüft und aktualisiert zu haben. (Ganz anders das Buch von Reinhard Bein: Ewiges Haus, Jüdische Friedhöfe in Stadt und Land Braunschweig, Braunschweig 2004)

Noch vor der Präsentation des Buches auf dem Friedhof konnte ich ein Exemplar einzusehen. Den Teil der „alten“ Geschichte kann ich mangels eigener Forschungen und Kenntnisse nicht beurteilen, dafür aber um so mehr den Textteil aus dem 19. bis ins 20. Jahrhundert. Ich halte ihn zum Teil für oberflächlich, fehlerhaft; er mangelt an Quellenangaben und enthält einen Anspruch, der 1994 möglicherweise berechtigt war, nicht aber elf Jahre später.

Ich habe die Lessing-Akademie (24.4.05) schriftlich auf die Probleme anhand einiger noch nicht endgültig dargestellter Beispiele hingewiesen und geraten, das Buch ohne Korrekturen nicht in den Markt zu bringen. Dieser Rat wurde nicht angenommen. Vielmehr wurde ein Zettel beigelegt, der aufgrund meiner Hinweise eine Korrektur ankündigte. Da es der Lessing-Akademie und mir nicht gelang, einen gemeinsamen Nenner für die Korrektur überhaupt richtig anzusprechen, habe ich meine Mitarbeit eingestellt.

Korrektur-Vorschläge

Seite 7: In seinem Vorwort bezeichnet Professor Stenzel Professor Busch als einen “der besten Kenner der Materie“. Dieser Einschätzung möchte ich mich nicht anschließen.

Seite 9:
Hier beginnt im Inhaltsverzeichnis “das Verzeichnis der Grabsteine“. Der Grabstein von Rosi Ilberg fehlt.

Seite 19:

“An die Synagoge in der Lessingstraße erinnert nur ein Gedenkstein“. Der Gedenkstein steht seit 1988 gegenüber dem Zeughaus.
Schon allein dieser Satz macht deutlich, dass aktuelle Ereignisse seit 1994 nicht berücksichtigt wurden: 2000 erhielt das auf dem ehemaligen Synagogengrundstück errichtete Haus eine Gedenktafel.

Seite 30:

In der Fußnote 23 der Hinweis auf eine Zusammenfassung von Gerhard Ballin über die Jacobsen-Schule in Seesen. Das 2003 von Meike Berg erschienene Buch über die Jacobsen.-Schule (mit Samson-Schule) wird nicht erwähnt.

Seite 33:

“Dabei zeigte sich das Grundbuchamt im Amtsgericht Wolfenbüttel sehr kooperativ, denn durch mündliche glaubhafte Aussagen ließ sich begründen, daß seinerzeit die Heimstättenstiftung das Gelände nicht zur Bereicherung übernommen hatte, was andernorts durchaus geschehen war, sondern um die ehrwürdige Stätte dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entziehen.“

Dieser Satz enthält mehrere Probleme: Ich bezweifele (ohne Quelle) die Aussage: Wer hat das “glaubhaft versichert?“ Und wer waren “die Nationalsozialisten?“ War die Heimstättenstiftung zu jener Zeit frei vom Einfluß der “Nationalsozialisten“?
Diese Aussage von Professor Busch weist darauf hin, dass er entsprechende Archivalien im Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel nicht eingesehen hat. Er wäre dann möglicherweise zu einer differenzierten Aussage gekommen.

Seite 34 und 39:
“…Dr. Ing. Ernest A. Boas, Pully/Schweiz, der in seinen beiden Ehen mit Wolfenbütteler Töchtern verbunden war.“
“… eine weitere Tafel an Liselotte Boas, geb. Samson, deren Ehemann ….“
Im Vorwort seines 1994 erschienenen Buches „Das Wolfenbütteler Erbe“ erinnert Boas an seine beiden Ehefrauen, die beide Li(e)selotte geheissen haben und: Beide würden aus Wolfenbüttel stammen.
Da ich bei meinen Forschungen keinen Hinweis auf eine aus Wolfenbüttel stammende (geborene) Liselotte Samson fand, habe ich das auch von Professor Busch mehrfach zitierte Stammbuch der Familie Samson im Braunschweiger Landesmuseum eingesehen. Des Rätsels Lösung: Liselotte hieß nicht Samson, sondern Maschke.
Geburtsanzeige für Liselotte im Wolfenbütteler Kreisblatt vom 30.12.1903: “Durch die glückliche Geburt eines gesunden Mädchens hocherfreut Dr. Max Maschke und Frau Hänschen, geb. Samson. Berlin, 29. 12.1903.“ Frau “Hänschen“ (Johanna) Samson war die Tochter von Isidor und Betty Samson. Sie wohnten in Wolfenbüttel am Rosenwall.

Seite 42:
“Grab des Nathan Schloss mit der liegenden Gedenkplatte für die im Lager Riga 1942 umgekommenen Louis und Johanna Schloss.“ Da der Busch-Text nicht aktualisiert wurde, können die tatsächlichen Umstände des Todes von Louis und Johanna Schloss im Buch nicht mitgeteilt werden. Ihre Tochter Lotte Strauß hat es in ihrem Buch beschrieben. (Strauss, Lotte, Over the green hill, New York 1999, Seite 111)

Seite 49 bis 51:
“Verzeichnis von Grabsteinen, 1944 von G. Ballin aufgenommen.“
Mindestens in einer Fußnote hätte der Leser erfahren sollen, wer Gerhard Ballin war. (Anmerkung 2) Ballin hat tatsächlich (1944?) Verzeichnisse von jüdischen Friedhöfen angelegt. Das hier veröffentlichte Verzeichnis, lt. Professor Busch von 1944, mit “einigen zusätzlichen Erläuterungen zu den Gräbern der Familie Samson“ enthält auch Gräber, die erst einige Jahre nach Kriegsende dazugekommen sind.
Die Liste enthält die Namen: “Frau Ilberg, Max Ilberg“. Diese Kombination läßt die Vermutung zu, es handele sich um ein Ehepaar Ilberg: Max Ilberg ist Ende der zwanziger Jahre gestorben, bei “Frau Ilberg“ handelt es sich um seine dritte Schwiegertochter Rosi Ilberg, gestorben 1951.
“Susi Esberg“ hieß richtig Suse Esberg, gestorben 1935. Siehe auch Foto ihres Grabsteines Seite 245.
“Max Wolfsohn, gestorben 1957.“
Ein Hauptanliegen meiner eigenen Forschungen war es immer, den Menschen ihre Namen zu-rückzugeben und sie nicht unter einem allgemeinen (anonymen) Begriff (z.B. „Opfer“) zusammenzufassen. Das macht Busch mit den Namen Schaye Eichengrün (umgekommen im KZ). Auch hier hätten, wäre es beabsichtigt gewesen, die vollständigen Namen stehen können: siehe Seite 254.
“Trude Kay, geb Pohly“
Es handelt sich um Trude Katz: siehe Grabstein Seite 243.
Da die Ballinsche Originalliste (von wem?) ergänzt worden ist, hätten die fehlerhaften Namen – wenn auch nur als Fußnote – korrigiert werden können/sollen.

Seite 51:
“Auszüge aus dem Standesregister der Stadt Wolfenbüttel.Vorbemerkung: Die Standesregister der jüdischen Gemeinde sind verloren.“
Diese Aussage ist so unzutreffend. Ich habe aus Jerusalem eine Kopie des erhaltenen Synagogenregisters ab 1886 erhalten.
Es folgen 3 Listen (Geburten, Eheschließungen, Sterbefälle) jüdischer Bürger aus Wolfenbüttel. Als Quelle gibt Busch das Braunschweiger Landesmuseum an, „Bestand Asaria“. Ich habe die zum „Bestand Asaria“ gehörenden Akten durchgesehen und keine Listen gefunden.

Bei den in den drei Listen aufgeführten Menschen handelt es sich nicht um Wolfenbütteler, sondern um Seesener Juden. Eine einfache Abgleichung z.B. der Sterbefälle mit den Grabsteinen hätte den Verdacht aufkommen lassen, dass etwas unstimmig ist.
Die hier veröffentlichten Listen hatte mir Herr Busch am Beginn meiner eigenen Forschungen freundlicherweise im August 1990 überlassen. Ich habe damals die Familiennamen zunächst in vielen Wolfenbütteler Adressbüchern (1891 bis 1937) gesucht, erfolglos.

In Gesprächen mit Wolfenbütteler Zeitzeugen, mit jüdischen Familienmitgliedern im In- und Ausland, im obigen Synagogenregister und nicht zuletzt in Akten des Staatsarchivs Wolfenbüttel waren diese Namen (außer Pohly und Cohn) nicht zu finden. Deswegen habe ich die Listen nicht mehr berücksichtigt.

Als ich die Listen dann im Friedhofsbuch wiederfand, geriet ich mit meiner eigenen Arbeit in Zweifel: Hatte ich unsorgfältig gearbeitet? Um über die Bedeutung dieser Listen Sicherheit zu bekommen, habe ich mit Namen aus der Geburtenliste über die „Central Database of Shoah Victims‘ Names“ von Yad Vashem versucht herauszufinden, ob Menschen dieser Liste unter den Opfern sind. Einige habe ich gefunden, merkwürdigerweise nicht mit Wolfenbüttel als Geburtsort, sondern Seesen. Gewißheit erhielt ich durch das Buch von Gerhard Ballin über die Seesener Juden, in dem ich beinahe alle Namen dieser drei Listen wiederfand: Professor Busch hat offenbar aus Seesener Juden jüdische Wolfenbütteler gemacht. Dass in den Listen auch noch ein paar falsche Angaben stecken, sei hier nur beiläufig erwähnt.

Seite 54 bis 56:
Professor Busch veröffentlicht hier eine Aufstellung von Hans Schulze (Anmerkung 3) über jüdische Einwohner Wolfenbüttels, die, bedenkt man die Zeit, als Schulze sie zusammenstellte, sehr ausführlich ist und mir eine wichtige Grundlage war. Sie enthält zwei Fehler: Selma Ilberg wurde nicht in “Vlotka“ geboren, sondern in Vlotho. Alice Pohly ist nicht nach “Chile“ entkommen.

Im Vorwort zu dieser Liste behauptet Professor Busch, sie sei die bisher vollständigste, die das Schicksal der jüdischen Einwohner nach 1939 dokumentiert. Diese Behauptung ist falsch! Zum o.g. Zeitpunkt war sie es vielleicht, aber doch nicht mehr im Jahr 2005 nach meinen 15jährigen Forschungen.

Seite 57:
Mit der dann folgenden Aufstellung über “vor dem Krieg ortsansässiger jüdischer Einwohner, die nach 1945 nach Wolfenbüttel zurückgekehrt sind“ verhält es sich wie mit der obigen Liste. Zum Zeitpunkt der Aufstellung war sie ausreichend, aber nicht mehr 2005. Die Liste enthält wieder einen krassen Fehler, der nur passieren konnte, weil Professor Busch offenbar, so wie es die historische Methodik verlangt, Abgleichungen unterließ. Rosi Ilberg ist nicht am 16.5.1956 nach Braunschweig verzogen, sondern 1951 in Wolfenbüttel gestorben.

Seite 57 bis 58:
Als besonders unerträglich und beschädigend betrachte ich das „Epitaph“. Dieser Beitrag (Wann wurde er tatsächlich geschrieben?) hätte gar nicht erst erscheinen dürfen, da er falsch geschriebene Namen enthält, oberflächliche Beschreibungen und falsche Darstellungen. Auch hier wieder der Fehler, sie vor der Veröffentlichung nicht aktualisiert zu haben.

Korrekturen:

Familie Berger: Jakob und Rosa Berger hatten drei Söhne. Allen dreien, Kurt, Max und Leo, gelang die Flucht nach England. (Professor Busch hätte hier alle Namen richtig nennen können, hatte sie doch Kurt (Ken) Berger in einem Brief vom 10.4. 1983 dem Wolfenbütteler Stadtdirektor genannt.)

Familie Benschner, nicht “Benscher“: Alfred Benschner starb 1934. Seine Frau Gertrud wurde aus Lippstadt nach Theresienstadt und danach nach Auschwitz deportiert. Ihren Söhnen Walter und Kurt gelang die Flucht nach Schweden und Palästina.

Familie Esberg: Ivan Esberg floh mit seinem Sohn nach Belgien. Beide wurden nach Gurs und Cyprien gebracht. Ivan Esberg konnte sich verstecken und überlebte. Achim Esberg wurde deportiert und ist wahrscheinlich (Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter national-sozialistischer Gewaltherrschaft ..) in Auschwitz ermordet worden.

Familie Graetz: Frau Graetz wurde zunächst nach Theresienstadt und dann nach Treblinka deportiert.

Familie Oschitzky: Diese Angaben sind komplett falsch.

Familie Pohly: Nur so viel: Die beiden Töchter von Max und Rita Pohly, an die sich noch viele Wolfenbütteler erinnern können, sind umgebracht worden, ebenso ihre Eltern. In der Liste von Hans Schulze heißt es, Alice sei nach Chile entkommen (Seite 56). Familie Schaye, nicht “Schayer“: Sohn Hans Schaye konnte nach England fliehen. (Wieder keine Abgleichung mit richtiger Schreibweise an anderer Stelle des Buches. Professor Busch hat Hans Schaye einen Brief geschrieben und kannte die richtige Schreibweise des Namens.)

Familie Steinberg: Bruchstückhafte Angaben, die zudem noch falsch sind. Frau Steinberg starb 1941 im Jüdischen Krankenhaus in Hannover.

Der abschließende Satz von Professor Busch, diese “vorläufige“ Liste sei Ansatz “für eine umfassende Untersuchung“ macht deutlich, dass er z.B. meine jahrelange Arbeit nicht kennt oder sie nicht zur Kenntnis nimmt.

Abschließend ein kleiner Hinweis:

Eine Akte im Landesmuseum Braunschweig enthält ein Schreiben von Professor Busch an Kurt Berger vom 3.12.1982. Darin teilt er mit, seine Eltern hätten in Wolfenbüttel “zuletzt Im Kalten Tale 26“ gewohnt. Aus einer angehängten städtischen Meldekarte der Bergers ist jedoch klar ersichtlich, dass es sich um die Hausnummer 2b handelte. Weiter informierte er, Kurt Bergers Vater sei ab 26.10.1935 in der Heilanstalt “Stössinghütte“ untergebracht und “ab 17.1.1936 wieder nach Wolfenbüttel zurückgekehrt“. Tatsächlich war Herr Berger in genau dieser Zeit nach seinem Selbstmordversuch im Landeskrankenhaus Königslutter behandelt worden. Den Ort “Stössinghütte“ oder eine gleichnamige Heilanstalt habe ich bisher nicht gefunden.

Bei der Enthüllung des Synagogensteines am 9.11.1988 trug ein Schüler eine Liste mit umgekommenen jüdischen Wolfenbüttelern. Am Tag darauf veröffentlichte die BZ diese Namen. Sie entstammen dem „Gedenkbuch für Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“. Allein die Einbeziehung dieser Namen hätte die Arbeit von Herrn Busch verbessert.


Auch die Dokumentation der Grabsteine ist nicht fehlerlos.

Der Kartierungsplan mit den Grabsteinen ist etwas verwirrend konzipiert. Durch die unter-schiedliche Festlegung der Messpunkte an den Gräbern werden aus geraden Grablinien auf dem Friedhof zickzack-Linien auf dem Plan.
Das Doppelgrab der Familie Ilberg fehlt. Hier wird wieder das strukturelle Manko des Buches deutlich: Die einzelnen Teil sind nicht abgeglichen worden, dadurch enthält es so viele Widersprüche. Während der Name Ilberg im „Namensregister“ (Seite 281) fehlt, sind die Namen “Frau Ilberg und Max Ilberg“ im Ballin-Verzeichnis (Seite 51 vorhanden). Sollte der handschriftliche Gräberplan des Friedhofsamtes, möglicherweise von Hans Schulze verfasst, die Grundlage des Kartierungsplanes sein, ist das Fehlen der Ilbergs wiederum unverständlich. Denn darin sind die beiden Gräber “Frau Ilberg“ und “Max Ilberg“ verzeichnet. Der Dank an das “sorgfältigste Korrekturlesen des Manuskripts von Maike Strobel (Seite 63) muß wohl zurückgenommen werden. “

Seite 275:
Hier ist die Rückseite eines Grabsteines mit einer hebräischen Inschrift abgebildet. “Kommentar: Stein liegt umgestürzt auf seiner Vorderseite.“
Wie meine aus den neunziger Jahren stammenden Fotos belegen, hat der Stein tatsächlich so gelegen. Aber seit einiger Zeit, wahrscheinlich nach den Grabsteinschäden durch einen umgestürzten Baum, ist auch dieser Stein wieder errichtet worden. Er enthält die deutsche Inschrift:

Mein geliebter Mann
Max Rosenbaum,
geb 2. Febr. 1895
gest. 11. Septbr. 1933

Dieses Grab ist auch in dem handschriftlichen Plan des Friedhofsamtes verzeichnet. Der Name Max Rosenbaums fehlt im Namensregister Seite 281.

Seite 240:
Hier ist ein “Giebel“ ohne Zuordnung abgebildet.
Der Stein gehört zum Grab von Johanne Meyersberg, geb. Michaelis. Sie war die Mutter von Berta Eichengrün. Ihr Urenkel, Hans Schaye aus Luton, hat mir mitgeteilt, dass der Stein jetzt nicht auf dem ursprünglichen Grab seiner Urgroßmutter stünde, sondern irgendwann dorthin gestellt worden sei. Der Stein mit Inschrift ist nicht mehr vorhanden.

Nach dem Erinnerungsgang 1995 stellte sich die Frage, was mit den Tafeln der Toten geschehen sollte. Der Landesverband jüdischer Gemeinden schlug vor, sie auf dem Friedhof zu begraben. Das ist erfolgt. Diese durch Maße bekannte Stätte ist im Kartierungsplan nicht verzeichnet und wird auch sonst nicht erwähnt.

Die Grabsteinlisten (und einige) Grabsteine) enthalten Namen von Personen, die nicht auf dem Friedhof beerdigt worden sind. Eine Kennzeichnung dieser Namen hätte m.E. erfolgen müssen.

Bei Philippi sehen wir uns wieder?

Liebe Leserinnen und Leser,
ich könnte hier nun meine „Korrektur“-Dokumentation schließen, wenn es nicht die von mir wahrgenommenen Widersprüche der Lessing-Akademie gäbe. Der Institution, die auch (und nicht allein) das Erbe Lessings pflegt und (aus meinem Blickwinkel) übersieht, dass sie nicht nur am Schloßplatz ihren Sitz hat, sondern auch in einem Elfenbeinturm, widme ich dieses Lessing-Zitat:
“Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend ein Mensch ist oder zu sein vermeint, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen. Denn nicht durch den Besitz, sondern durch die Nachforschung der Wahrheit erweitern sich seine Kräfte, worin allein seine immer wachsende Vollkommenheit besteht. Der Besitz macht ruhig, träge, stolz -.“

Im Mai 1995 fand zur Erinnerung an die jüdischen Wolfenbütteler ein Gedenkgang statt. Von den Standorten der einstigen „Judenhäuser“ im Bereich der Langen Straße trugen ca. 80 Teilnehmer 60 Tafeln mit den Namen umgekommener Wolfenbütteler Juden zum Stadtmarkt. Hier wurden sie zu einem provisorischen Denkmal vereint. Anlaß war, den immer als „Opfer“ bezeichneten Menschen ihre Identität, ihre Namen, zurückzugeben.

In der Presseberichterstattung hierüber wurde meine Kritik an der geringen Aktivität der Lessing-Akademie zum jüdischen Thema zitiert. Das führte zu einer Philippika des damaligen Geschäftsführers, Claus Ritterhoff, in Form eines BZ-Leserbriefes gegen mich. Er bezweifelte meine Ernsthaftigkeit und schrieb: “Sollte es ihm am Ende gar nicht so sehr um ein düsteres Kapitel jüdisch-deutscher Geschichte, sondern vielmehr darum gehen, sich mit einem solchen Thema persönliche Vorteile zu verschaffen? Das wäre schlimm und kann der Sache nicht dienen.“ ( Braunschweiger Zeitung, 6.5.1995)

Mehrfach habe ich Herrn Ritterhoff erfolglos gebeten, den Vorwurf persönlicher Vorteilsnahme zurückzunehmen oder genau zu belegen. Am 15. Mai 1995 schrieb er mir u.a.: “Es wäre für Sie nicht günstig, wenn ich der Öffentlichkeit zeigen würde, warum man Ihnen – leider – sagen kann, daß es Ihnen letztlich nicht um ein schwieriges Thema jüdischer-deutscher Geschichte ging, sondern um andere Ziele. Sie sollten es, in Ihrem Interesse, nicht darauf ankommen lassen.“

Am 23. Mai veröffentlichte die BZ den Leserbrief einer Teilnehmerin einer Führung zum Thema Juden in Wolfenbüttel durch Ritterhoff und kritisierte den Mangel an Informationen. Sie schrieb: “Leider konnte er dabei mit solch präzisen Fakten, wie Jürgen Kumlehn sie gibt, nicht aufwarten. Und: Es bleibt zu hoffen, daß Jürgen Kumlehn seine Arbeit weiterführt, damit endlich “Die Andere Geschichte“ Wolfenbüttels besser dargestellt werden kann.“

Claus Ritterhoff schrieb der Leserbriefschreiberin noch am gleichen Tag: (…) “Daß Sie die Intentionen meines Stadtrundganges nicht ganz verstanden haben, ist bedauerlich. Aber die Unterstützung eines fragwürdigen Unternehmens, das Herr Kumlehn angezettelt hat, erfordert endlich einige Klarheit. Ich hatte Herrn Kumlehn gebeten, ruhig zu bleiben. Das geht offenbar nicht. Also werden demnächst in aller Öffentlichkeit einige historische Punkte zu klären sein. Daß ich Sie in dem Zusammenhang auch erwähnen muß, versteht sich.“

Am 28. Mai schrieb Ritterhoff der Leserbriefschreiberin: “Es dürfte nicht von Bedeutung sein, ob Sie mit Herrn Kumlehn bekannt sind oder nicht. Sie haben ihm öffentlich zugestimmt, das und nur das zählt. Haben Sie einmal den Versuch gemacht zu sehen, woher Herr Kumlehn seine angeblichen Forschungsergebnisse nimmt? Sein Verfahren hält keiner kritischen Beurteilung stand. Das ist schlimm, schon gar in dieser Sache. Sie sollten Ihre Stellungnahme noch einmal genau überdenken. Zu gegebener Zeit wird die Lessing-Akademie in der BZ versuchen, einiges klarzustellen.“

Seine Ankündigungen hat Ritterhoff nie verwirklicht. In einem Gespräch in der Lessing-Akademie lehnte er es ab, seine Vorwürfe zu belegen oder zurückzunehmen. Mein Antrag auf Mitgliedschaft in der Lessing-Akademie wurde abgelehnt.

Ein Herzog im Elfenbeinturm?

Wie bereits erwähnt, habe ich die Lessing-Akademie frühzeitig auf die Fehler hingewiesen. Herr Professor Stenzel kannte meine umfangreiche Arbeit durch ein Gespräch in der Akademie vor Beginn des Lessingjahres. Er hat sie in seinen Händen gehalten. Die Fehler hätten vermieden werden können, wäre die Lessing-Akademie vor Drucklegung mit mir in Verbindung getreten. Ich glaube nicht, dass das aus reiner Vergeßlichkeit geschehen ist.

Nach der Präsentation des Buches und der Ankündigung einer Korrekturliste hatte ich erwartet, zu einem Gespräch über die Korrektur eingeladen zu werden. Ich war wohl zu naiv. Statt dessen kommunizierte die Akademie mit mir wochenlang über E-mails, solange, bis ich am 8. Juni 05 mitteilte, diese Art der Kommunikation nicht mehr weiterzuführen. Nun erhielt ich einen Gesprächstermin, den ich am 28. Juni 05 wahrnahm. Leider endete er nach ca. 30 Minuten in einem Fiasko, da ich die diktierende und ein partnerschaftliches Gespräch nicht erlaubende Gesprächsführung von Herrn Stenzel – und den zweifachen Zeitdruck – nicht akzeptieren mochte. Ich teilte der Lessing-Akademie am 29.6.05 mit, dass ich mich an der Erstellung der Korrektur nicht mehr beteiligen möchte.

Ich kann es nicht vermeiden, dass mir jetzt möglicherweise der Vorwurf gemacht werden wird, ich wolle die Lessing-Akademie beschädigen.

Meines Erachtens hat sich die Lessing-Akademie mit der Herausgabe des Buches selber beschädigt, was ich als sehr bedauerlich empfinde. Einfach über die kritischen Inhalte des Buches und die Art und Weise, wie sie zustande gekommen sind, oberflächlich hinwegzugehen, wäre sicher nicht im Sinne eines Lessing.

Anmerkung zu Zvi Asaria:
Herr Asaria war ab 1966 Landesrabbiner in Niedersachsen. Er ist der Autor des umfangreichen Buches „Die Juden in Niedersachsen“. Leer, 1979

Zum Schluß ein weiteres Zitat von Lessing:

“Der Rabe“

Der Rabe bemerkte, daß der Adler ganze dreißig Tage über seinen Eiern brütete. Und daher kömmt es, ohne Zweifel, sprach er, daß die Jungen des Adlers so allsehend und stark werden. Gut! das will ich auch tun.
Und seitdem brütet der Rabe wirklich ganze dreißig Tage über seinen Eiern; aber noch hat er nichts als elende Raben ausgebrütet.“

Quelle:
Wölfel, Kurt, Lessings Werke, 1. Band., Gedichte, Fabeln, Dramen, Frankfurt 1967, Seite 41.

Anmerkung 1:
In einem Brief an Zvi Asaria schrieb Busch am 2. Juli 1980 u.a.: “Es wird Ihnen klar sein, daß die Weichen für dieses Projekt von mir gestellt worden sind, und daß die Lessing-Akademie als Organisator in Erscheinung tritt, was möglich wurde, da sie sich personell völlig verändert hat. Herr Prof. Vierhaus ist jetzt an dieser maßgeblich beteiligt und er ist einer der angesehensten deutschen Historiker. So bekommen die Vorhaben der Lessing-Akademie jetzt ein besonderes Gewicht.
Das Projekt betreffend der jüdischen Friedhöfe wird so angelegt, daß es wirklich von beispielgebender Ausführung sein wird.
(Quelle: „Bestand Asaria“ im BS-Landesmuseum)

Anmerkung 2:
G. Ballin, Sohn einer christlich-jüdischen Familie aus Seesen, hat sehr viel zur Aufklärung des Schicksals der Seesener Juden beigetragen, z.B. sein Buch: Geschichte der Juden in Seesen, Seesen 1979.
Mehr unter: www.uni-heidelberg. de/institute/sonst/aj/PERSONEN/BALLIN/leben.htm

Anmerkung 3:
Hans Schulze ist der verdienstvolle Autor einer längeren Arbeit über die Geschichte der Wolfenbütteler Juden, erschienen in den Braunschweiger Jahrbüchern 1967/1968