1. Prozesstag


Es folgt die Abschrift eines Originaltextes

„2. Januar 1947.

Bis zum 3. Februar 1947 fand in Braunschweig vor dem Militärgericht des „1st British Corps District“ der Prozeß über das Konzentrationslager Schandelah statt. Drei Mitarbeiter der Firma „Steinöl GmbH“ und sechs SS-Leute und Kapos wurden beschuldigt, im Sinne des Völkerrechts die Bestimmungen und Gepflogenheiten der Kriegsgesetze verletzt zu haben und für die Mißhandlung und Tötung von Bürgern alliierter Länder verantwortlich zu sein.

Die Angeklagten waren:
Solms Wittig als Generaldirektor des „Deutschen Asphalt-Konzerns“ und Geschäftsführer der Tochterfirma „Steinöl“, die aus Tarnungsgründen in „Kalk- und Zementwerke Schandelah“ umbenannt worden war.
Hans-Detlef Ohlen als stellvertretender Geschäftsführer der „Steinöl GmbH“.
Otto Hefter als Leiter des zur Technischen Hochschule Braunschweig gehörenden „Forschungsinstituts für Natur-Asphalt“, das nach Bombenangriffen auf Braunschweig im November 1944 nach Schandelah-Wohld ausgelagert worden war.
Friedrich Ebsen als Kommandant des Konzentrationslagers Schandelah.
Carl Truschel befehligte ab August 1944 die Wachmannschaften des Konzentrationslagers und war stellvertretender Lagerkommandant.
Arnold Erich Jahn war ab Juli 1944 Mitglied der Wachmannschaft und ab August 1944 für die Küche zuständig. Er besorgte den Einkauf der Verpflegung für die Bewacher und für die Gefangenen.
Herbert Schiefelbein war wegen seiner Vorstrafen ins KZ Neuengamme eingesperrt worden. Im Mai 1944 kam kam er ins Außenlager Schandelah und wurde hier Kapo des „Arbeitskommando Staatsbahn“.
Johann Heitz war ab September 1944 SS-Hundeführer
Arthur Grosse war Kapo.


Das Militärgericht setzte sich aus folgenden Personen zusammen
Präsident: Lieutenant-Colonel E.C. Vander Kiste, Essex-Regiment.
Beisitzer: Major A.G Akers-Douglas, 13/l8th Hussars
Major J. Pickering, Royal Northumberlands.
Capt. R. F. Hall, Royal Artillery.
Second-Lieutenant P. Cremer, l. Belgische Infantrie.
Staatsanwalt: Major F.G Drumgoole.


Verteidiger:
Rechtsanwalt Ernst Schmidt aus Hamburg für den Angeklagten Ohlen
Rechtsanwalt Grünkorn aus Braunschweig für die Angeklagten Wittig, Truschel, Grosse und Schiefelbein.
Rechtsanwalt Peters aus Braunschweig für die Angeklagten Heitz und Jauch.
Rechtsanwalt Willaus Braunschweig für den Angeklagten Hefter.
Rechtsanwalt Gifhorn für den Angeklagten Ebsen.


Zu Beginn des Prozesses wurden alle Angeklagten vom Gerichtspräsidenten gefragt: „Wollen Sie eine Vertagung der Verhandlung beantragen, weil Prozeßregularien zu Ihrem Nachteil nicht eingehalten worden sind oder weil Sie für die Vorbereitung Ihrer Verteidigung nicht genügend Zeit gehabt haben?“ Die Angeklagten antworteten: „Nein.“ Einmütig erklärten sie sich im Sinne der Anklage für „Nicht schuldig“. Im weiteren Verlauf der Sitzung dieses ersten Tages wurde der erste Zeuge der Staatsanwaltschaft, Staff-Sergeant Frank-Peter Golding von der „War Crimes Investigation Unit“ des Hauptquartiers der Britischen Rheinarmee angehört: „Ich wurde beauftragt, detaillierte Untersuchungen über das Konzentrationslager Schandelah durchzuführen. Im April 1946 fuhr ich deshalb in Begleitung von Captain Durndell zu den Büros der „Kalk-und Zementwerke“ nach Braunschweig. Wir befragten dort Dr. Mischel (Dr. Mischel war ein von der Britischen Militärverwaltung eingesetzter Firmenmitarbeiter) und erhielten einige Akten, in denen sich ein Grundrißplan des Lagers und der Fabrikanlagen befand. Neben anderen Unterlagen erhielt ich auch den Organisationsplan der Firma.“

Sergeant Golding legte dem Gericht gerettete Dokumente aus den Akten der Firma Steinöl und der SS vor, sowie schriftliche Aussagen der Angeklagten und von Zeugen, die er in der Zeit vor Beginn des Prozesses auch im Ausland aufgenommen hatte. Nach dieser mehr formalen Aussage endete der erste Prozeßtag.“

Prozessakten, Public Record Office, London (Übersetzung der englischen Originale durch J.K.)