Erinnere Dich Kamerad! Seit langen Tagen schon hattest Du weder das Lächeln eines Kindes, noch die Zärtlichkeit einer Frau, die Dir einst das Leben süßer machten. Du hattest keinen Namen mehr, nur noch eine Nummer: 34913. Erinnerst Du Dich? Schandelah! Eine für Dich barbarisch lautende Ortsanschrift. Es hieß, dort sollte ein gutes Außenlager sein … Da war aber NICHTS. Du hattest weder Taschentuch, noch Socken, weder Handtuch noch Seife, weder Messer noch Gabel, zu welchem Zweck überhaupt!
Du hattest weder ein Blatt Papier, noch einen Bleistift. An wen hättest Du schreiben können? Kahlrasiert fühltest Du Dich wie nackt. Erinnerst Du Dich? Hast Du nicht in meine Augen gesehen? Hast Du nicht Deinen eigenen Tod darin gelesen? Was Du aber hattest das waren: elektrischer Stacheldraht, SS und Hunde, Kapos mit ihren Gummis, Appell und Geschrei, Tag und Nacht, traurige Nächte zu dritt auf dem Strohsack schlafend. In Terror und Kälte in Deinen gestreiften Lumpen, die kaum noch Deine armen Knochen versteckten.
Das hattest Du. Und dann den Hunger, Hunger, Hunger: unaufhörlich, stechend – und dann Schläge und Läuse. Eine Laus Dein Tod! sagten die SS-Leute. Davon starbst Du jeden Tag. Was Du hattest, was Du nicht hattest? Erinnerst Du Dich Kamerad?
Henri Higelin, ehemaliger Gefangener im Konzentrationslager Schandelah.
Henri Higelin, ehemaliger Gefangener im Konzentrationslager Schandelah.
Wir haben uns erinnert und getrauert. Aber wir haben auch in die Zukunft geschaut und uns wohlgefühlt. Nach den Gedenkfeiern fanden viele Kontakte zwischen deutschen und ausländischen Teilnehmern statt. Ob zu Hause oder im Restaurant Weddeler Hof, der Pflege freundschaftlicher Beziehungen wurde bei manchem Teller Spargel und nicht wenigen Gläsern Wein und Bier immer genügend Raum gelassen.
Aus der Erinnerung wuchs die Hoffnung für eine Gemeinsame europäische Zukunft frei nach dem Grundsatz: Versöhnte Völker sollen versöhnte Erinnerungswelten haben.