Exposé


Eulenspiegel unterm Hakenkreuz
Anmerkungen zum Missbrauch der Eulenspiegelfigur durch Nationalsozialisten und deren Sympathisanten.
Ein Sachbuch.

320 Manuskriptseiten DIN 4 (noch nicht lektoriert), ca. 450 Buchseiten.
Ca. 70 Fotos und Abbildungen, schwarz-weiß.
Ca. 15 Fotos und Abbildungen, farbig.
Quellen-, Literatur- und Namenverzeichnis.
1506 Fußnoten mit Quellenangaben und Erläuterungen und Ergänzungen.

Autor:
Jürgen Kumlehn
Platanenstraße 24
38302 Wolfenbüttel
Telefon: 05331-977487
E-Mail: JKumlehn@t-online.de
März 2011

Frank Thunack gewidmet,
Puppenspieler, Historiker, Eulenspiegelforscher –
dem Entdecker Tiles van Damm (1454-1502) als wirklichen Verfasser des Ulenspiegel-Manuskripts.

Bei dem Walde Elm im Lande Braunschweig, im Dorf Kneitlingen, da ward Eulenspiegel geboren. So oder ähnlich beginnt eine unübersehbare Menge an Ausgaben und Bearbeitungen des Volksbuches (angeblich) von Hermann Bote, zuerst gedruckt im 16. Jahrhundert . Das Eulenspiegel-Buch gilt als der einzige Beitrag Niederdeutschlands (Niedersachsen) zur Weltliteratur.
Aus der rüden und skatologischen Figur erwuchs im Laufe der Jahrhunderte unter Weglassung der “schmutzigen” Historien ein Kinderbuchheld. Viele Schriftsteller haben die überlieferten Geschichten in mannigfaltiger Art und Weise bearbeitetet, ergänzt, interpretiert oder ganz neue Historien erdacht. Die Büchermenge zum Thema Eulenspiegel ist international und unübersehbar. Schriftsteller wie Brecht, Hauptmann, de Coster, Klabund und andere haben sich des Themas auch eigenständig angenommen. Spätestens seit de Costers Roman über Eulenspiegels Freiheitskampf in Flandern ist er auch zu einer politischen Figur geworden. Die kulturelle Bedeutung Eulenspiegels haben die Nationalsozialisten und ihnen früh verbundenen philologischen und literarische Bewegungen entdeckt. Die aus niederdeutschem Bauerntum stammende Figur ließ sich gut in die nationalsozialistische Blut- und Boden-Ideologie einreihen. Bereits im Sommer 1923 versammelten sich die Nationalsozialisten des Landes Braunschweig in dem Dörfchen Kneitlingen zu ihrer ersten großen öffentlichen Veranstaltung. In den Annalen der NSDAP gilt der sogenannte Geburtsort Eulenspiegels als die Stätte, an der die Grundlage der Bewegung für den“Gau Niedersachsen” gelegt worden ist.

10 Jahre später, im Sommer 1933, feierte die NSDAP des Gaues Süd-Hannover-Braunschweig mit großem Gepränge in Kneitlingen den zehnten Jahrestag ihres Auftretens im Land Braunschweig und die Machtübergabe an Adolf Hitler. Dem damaligen Braunschweigischen Ministerpräsidenten Dietrich Klagges muss bei einem Besuch des Eulenspiegel-Hofes die Idee gekommen sein, die Eulenspiegel-Figur für die Gleichschaltung und für die nationalsozialistisch inspirierte Entwicklung der niedersächsischen Heimatkultur einzusetzen. Er beauftragte einen Braunschweiger Bildhauer, ein Eulenspiegel-Denkmal für Kneitlingen zu schaffen. Das Denkmal wurde fertiggestellt, konnte aber wegen des Krieges nicht errichtet werden; das sollte nach dem Endsieg geschehen. In dieser Zeit schrieb der Braunschweiger Historiker Ernst August Roloff (sen) ein Eulenspiegelbuch „Ewiger Eulenspiegel“. Darin stellte er den Schalk als völkisches Musterbeispiel eines niederdeutschen Menschen dar und dichtete ihm die Qualitäten eines SA-Mannes an. Sein Buch bildete die pseudowissenschaftliche Grundlage für den weiteren Missbrauch der Eulenspiegel-Figur durch die Nationalsozialisten. Noch Anfang des Jahres 1945 schrieb Roloff Durchhalteartikel für in besetzten Ländern erscheinenden deutschen Zeitungen, in denen er der kämpfenden Truppe Eulenspiegel als den lachenden Überwinder aller Widrigkeiten vorstellte. Als Beispiel hob er den in den Bombennächten unversehrt gebliebenen Eulenspiegel auf dem Brunnen im Bäckerklint in Braunschweig hervor.

Eulenspiegel-Denkmäler wurden während der Nazizeit u.a. in Einbeck und im Berliner Olympischen Dorf errichtet, die Stadt Mölln erhielt Angebote mehrerer Bildhauer; das Denkmal wurde erst nach dem Krieg geschaffen und aufgestellt.

Ein aus Schöppenstedt stammender Apotheker, der in Essen lebte und dort eine Apotheke betrieb, gründete in seiner Heimatstadt ein Museum mit einer Eulenspiegel-Literatur-Sammlung, aus der später das Eulenspiegel-Museum hervorging. Er unterstützte (gemeinsam mit Roloff) die Absichten der Braunschweiger Nazi-Regierung, um die literarische Figur herum einen Verein zu gründen. Das wurde noch im Februar 1945 ernsthaft betrieben. In Essen beteiligte sich der Apotheker, Erich Leimkugel, an oppositionellen Kreisen. Er gilt dort als Widerständler gegen die Nazis.

Das Eulenspiegel-Denkmal wurde zwei Jahre nach Kriegsende aufgestellt. Hauptinitiator dieses für die damalige Notzeit ungewöhnlichen Ereignisses war der Berliner Jurist und Schriftsteller Heinz Grunow, der sich nach der Kriegsgefangenschaft in Wolfenbüttel niedergelassen hatte.

1950 gründeten während der “Eulenspiegel-Woche” Persönlichkeiten aus Politik und Literatur den “Freundeskreis Till Eulenspiegels”. In der restaurativen Atmosphäre der Adenauer-Zeit schlossen sich dem Kreis Dichter und Künstler an, die sich aus der Nazizeit kannten und die als willige Mitmacher unterschiedlichen Ruhm erlangt hatten. Alle haben sich in ihrem Werk mit der Eulenspiegelfigur befasst. Till Eulenspiegel wurde erneut missbraucht. Unter seinem Namen geriet ihre Vergangenheit sehr schnell in Vergessenheit.

Dem Freundeskreis gehörten u.a. sechs Schriftsteller an, die Leiter regionaler Organisationen der nationalsozialistischen Reichsschrifttumskammer gewesen waren und mit ihrer Aufgabe fast ganz Nord- und Westdeutschland bis hin nach Hessen betreut hatten. Zwei Dichter, Moritz Jahn aus Göttingen und Georg Grabenhorst aus Hannover u.a., schrieben sich nach 1945 in ihren autobiographischen Werken in die Nähe der Nazi-Opposition.

Erster Vorsitzender des Freundeskreises wurde 1950 trotz seines rassischen Eulenspiegel-Buches der Historiker Roloff, der außer mit seinem Buch “Ewiger Eulenspiegel” auch mit weiteren der NS-Ideologie angepassten Werken hervorgetreten war. Der langjährige Geschäftsführer Heinz Ohlendorf, einstmals Mitgestalter der NS-Kultur u.a. im Radio und früherer Mitarbeiter im Braunen Haus in München, öffnete das schon bald herausgegebene Eulenspiegel-Jahrbuch vormals NS-nahen Autoren und erlaubte es ihnen, sich kritiklos in die Nachkriegsliteratur zu integrieren.

Seitdem diese geistigen Helfer des NS-Regimes verstorben sind, entwickelte sich der Freundeskreis zu einem seriösen Sammelbecken eulenspiegelorientierter Wissenschaftler und Laienforscher. Bundesweit tritt der Verein durch eine besondere Aktivität hervor: In unregelmäßigen Zeitabständen ernennt er prominente Künstler und Politiker zum “Bruder Eulenspiegel”. Geehrt wurden u.a. Konrad Adenauer, Loriot, Ephraim Kishon, Heinrich Höcherl, A. Paul Weber, Werner Fink, Theo Lingen, Lothar Späth und zuletzt Johannes Rau, u.v.a.m..

In meinem Buch beschreibe ich im ersten Teil heimatkulturelle Grundlagen der Nazizeit. Ich dokumentiere das schon weit vor 1933 begonnene völkische Engagement der Mitglieder der sogenannten Plattdeutschen und der Niederdeutschen Bewegung, die sich als artgerechte Bewohner jenes Niederdeutschlands verstanden, in dem der Autor des Eulenspiegel-Volksbuches die Figur einige Jahrhunderte vorher hatte entstehen lassen. Sie träumten von einem Niederdeutschland, das von Flandern bis in die baltischen Staaten reichen sollte. Es wird erkennbar, wie sehr die völkisch orientierten Niederdeutschen auf einen Führer warteten und das gesellschaftliche und politische Klima für den Aufstieg eines autoritären und völkisch denkenden Staatslenkers vorbereiteten.

Der Leser erfährt, dass die flandrischen “Heim-ins-Reich-Bestrebungen” ihren Ursprung im 19. Jahrhundert haben. Ernst-Moritz Arndt und ein wenig auch Hoffmann von Fallersleben gehörten zu den Wegbereitern dieser Ideologie, die später auf nationalsozialistischer Grundlage missbraucht wurde. Ein Braunschweiger Herzog, ein heute noch verehrter nationaler Held, starb in Flandern (bei Waterloo) im Kampf um dessen Befreiung von der französischen Fremdherrschaft: Drei Braunschweiger, Till Eulenspiegel, der “Schwarze Herzog” und Hoffmann von Fallersleben, haben Spuren in Flandern hinterlassen.

Mein Buch beschreibt die Schaffung des Eulenspiegel-Denkmals und betrachtet hierin involvierte Personen, die sich opportun den Nazis zur Verfügung stellten oder stellen mussten, und zu willigen Mitmachern wurden. Nach 1945 arbeiteten sie fast ohne Unterbrechung weiter. Ein Ausblick auf weitere Eulenspiegel-Denkmäler und Ereignisse – z. B. im olympischen Dorf bei Berlin von 1936 – belegt die nationale Nutzung der Figur. Das Eulenspiegel-Museum in Schöppenstedt besitzt ein Buch, in dem Eulenspiegel als NS-Blockleiter in reiner NS-Ideologie gegen die zu Feinden erklärten Menschen agitiert. Eingebunden in die Texte sind die Ergebnisse meiner Recherchen, die den Missbrauch der Figur belegen.

Ich beschreibe die Wiederentdeckung des Eulenspiegel-Denkmales und dessen Aufstellung nur zwei Jahre nach Kriegsende. Hauptinitiator der Eulenspiegel-Renaissance nach dem “Zusammenbruch” und der Propagierung der Figur als bodenständiger deutscher Überlebenskünstler war Heinz Grunow. Er engagierte sich ab 1945 in der Lessingstadt Wolfenbüttel als Kulturorganisator, gründete den Kulturbund und übte dreißig Jahre lang einen erheblichen Einfluss auf die Wolfenbütteler Kulturszene aus. Nationale Bedeutung erlangte Grunow durch seinen kometenhaften Aufstieg zum Hochmeister des Odd Fellow-Ordens. Bis heute (noch) ist in der Stadt, in der Lessing “Nathan der Weise” schrieb, weitgehend unbekannt, dass der agile Kulturorganisator und eifrige Schriftsteller eine dichterische NS-Vergangenheit hat, in der u.a. auch einige Hitler-Gedichte entstanden. Grunow hatte sich 1945 u.a. in Wolfenbüttel niedergelassen, weil dort der Kallmeyer-Verlag ansässig war, bei dem er vorher einige seiner Arbeiten veröffentlicht hatte. Der Kallmeyer-Verlag war bekannt als Verleger der Musik-Literatur der Hitler-Jugend. Mit der Entstehung des Freundeskreises Till Eulenspiegels und der Einsetzung eines (ehemaligen) “Nazis” als Geschäftsführer schließt der erste Teil.

Im zweiten Teil verschaffe ich dem Leser einen Einblick in das literarische Schaffen und in die Biographien der Freundeskreis-Mitglieder, die in der Nazizeit als aktive Dichter oder anderen Positionen hervorgetreten waren. Dazu gehörten u.a. die niedersächsischen Dichter Moritz Jahn und Georg Grabenhorst. Jahn hatte nach 1945 noch enge Beziehungen zu rechtsradikalen Organisationen. In Göttingen wird sein Name – Jahn war dort Schulrektor – durch die Benennung seiner ehemaligen Schule mit seinem Namen und einem davorstehenden Findling hoch verehrt. Grabenhorst gelang das Kunststück, Posten aus der Nazizeit durchgängig in die Zeit danach zu behalten. Der Enkel des Dichters Matthias Claudius, Hermann Claudius aus Hamburg, dichtete schöngeistige Literatur mit Anpassung an die Nazizeit. Von ihm stammt ein bekanntes Hitlergedicht. Claudius ist einer der am meisten in den frühen Eulenspiegel-Jahrbüchern veröffentlichte Dichter. Heinz Steguweit war ein eindeutiger Nazi-Dichter und Leiter der Reichsschrifttumskammer in Westdeutschland. In seinem nationalsozialistischen Buch “Feuerofen” rühmte er sich, das Buch schon vor 1933 geschrieben zu haben.

Viele dieser im Freundeskreis verehrten Dichter pflegten während und nach der Nazizeit enge Beziehungen zum “Volk-ohne Raum”-Dichter Hans Grimm und nahmen an seinen in der NS-Zeit begonnenden Dichtertagen in Lippoldsberg noch teil, als alles in „Scherben gefallen“ war. Ihre NS-Vergangenheit mit Literaturpreisen und Bekenntnissen zum Nationalsozialismus hinderte die Herausgeber des Eulenspiegel-Jahrbuches nicht daran, sie als hervorragende Dichter Deutschlands zu preisen. Ihre Vergangenheit war auch kein Grund, ihnen hohe Nachkriegsehrungen bis hin zu Bundesverdienstkreuzen zu verwehren.

Ich stelle den Holzschneider Ernst von Dombrowski vor, der in Österreich für den Anschluss seines Landes an das III. Reich gekämpft hat und ein häufig veröffentlichter Buchillustrator der Nazizeit wurde. Bekannt sind seine Holzschnitt-Illustrationen zu Hitler-Zitaten. Weil er auch Eulenspiegel künstlerisch umsetzte, errang er Anerkennung in den Jahrbüchern. Noch heute werden er und sein an Blut-und-Boden erinnerndes Werk in einem pompösen Museum bei Hildesheim fast religiös verehrt. Der Leser lernt auch einen Verwaltungsbeamten der Braunschweiger Region kennen, den ehemaligen Regierungspräsidenten Knost. Dieser nebenberufliche Eulenspiegel-Interpretierer errang während seiner Amtszeit Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre den Spitznamen “Globke von Braunschweig”, als bekannt geworden war, daß er zu den Kommentatoren der Nürnberger Gesetze gehört hatte. Wie die anderen Freundeskreis-Mitglieder behauptete auch er, sein NS-Engagement dafür eingesetzt zu haben, Schlimmeres zu verhüten.

Die Internationalität der Eulenspiegel-Figur ist daran zu erkennen, dass auch in Belgien – 1998 ist zu diesem Thema in Antwerpen ein Buch erschienen – die Eulenspiegel-Figur für nationalsozialistische Zwecke vereinnahmt wurde. Der deutsche Eulenspiegel-Freundeskreis unterhielt ab Anfang der fünfziger Jahre enge Beziehungen zu Eulenspiegel-Apologeten in Flandern, unternahm mehrere “Flandernfahrten” und hielt in Belgien auch Jahresversammlungen ab. Daraus erwuchs die Bedeutung des belgischen Schriftstellers Bert Pelemann für den deutschen Freundeskreis. Pelemann und Freunde gründeten ähnliche Organisationen in Flandern. Pelemann war 1945 von einem belgischen Gericht wegen Kollaboration mit den Nazis zum Tode verurteilt und später wegen seiner Einsicht in seine Schuld begnadigt worden. Er schrieb in der Nazizeit Eulenspiegel-Gedichte, war Propagandaleiter einer Kollaborations-Organisation und hat einen in Belgien heute noch unvergessenen Text für das Lied geschrieben, in dem er für den Kampf der Belgier an der Ostfront warb. 1984 erhielt Pelemann vom deutschen Eulenspiegel-Freundeskreis den Ehrentitel „Bruder Eulenspiegel”.

Mein Thema, in dem das Weitermachen belasteter Männer dokumentiert wird, ist in der umfangreichen Eulenspiegel-Literatur bisher nicht vertreten. Meine Arbeit ist die erste dieser Art in Deutschland.

Grundsätzlich unterscheidet sich mein Buch von vielen Darstellungen der Nazizeit dadurch, daß ich nicht nur gekürzt auf NS-Inhalte hinweise, sondern sie ausführlich zitiere. Der Leser kann Ausschnitte aus Originaltexten selber lesen und eigene Einschätzungen vornehmen. Weitgehend kann mein Buch daher auch als Materialienband benutzt werden. Es bietet den Anreiz, einige darin angesprochene Themen, die aufgrund der Thematik und dem Zwang zur Themenzentrierung kurz gehalten werden mußten, im Einzelnen fortzuführen. Aus diesem Buch können oder werden weitere Bücher entstehen.

Das Buch ist nicht auf Opfer des Nationalsozialismus zentriert, sondern auf tätige Mitmacher. Sie haben keine physischen Gräueltaten begangen, eher intellektuelle und literarische. Nicht nur die Opfer müssen im Blickfeld der Geschichte stehen, sondern selbstverständlich auch die Täter.