Bericht der Wolfenbütteler Zeitung vom 21.5.2013 über den ersten Vortrag am 17.5.2013 in Wolfenbüttel
Wie die Nazis die Till-Figur missbraucht haben
Jürgen Kumlehn hielt einen Vortrag über „Eulenspiegel unterm Hakenkreuz“.
Von Rainer Sliepen
„Nun auch noch Eulenspiegel!“ Wäre das ein verständlicher Stoßseufzer angesichts des Vortrages von Jürgen Kumlehn vor 60 Zuhörern in der Kommisse? „Eulenspiegel unterm Hakenkreuz“ hat er ihn genannt. Nein, eine solche Reaktion wäre leichtfertig. Der Wolfenbütteler Amateurhistoriker stellt an diesem Beispiel die Mechanismen der Nazis bloß, sich unverdächtiger Symbole für ihre Indoktrination zu bedienen. Grundlage war ein Erlass des Reichsministeriums für Volksbildung. Museen sollten aktiv „in die innere Front des uns aufgezwungenen Abwehrkampfes eingegliedert werden“. Der damalige Nazi-Ministerpräsident des Landes Braunschweig, Dietrich Klagges, legte die Grundlagen: „Wir wollen die Märchen- und Sagenwelt planmäßig der Erziehung der deutschen Jugend dienstbar machen“.
Dazu brauchte es Helfer. Einer davon war der Braunschweiger Hochschullehrer und Fraktionsvorsitzende der rechtsradikalen Deutschnationalen Volkspartei im Braunschweiger Landtag, Ernst August Roloff. In seinem Buch „Ewiger Eulenspiegel“ macht er den Narren zum Arier, hochgewachsen, jugendlich, blond, treu¬herzig-pfiffig. Als Ebenbild des rassisch-völkischen NS-Ideals schafft er sich mit „keckem Mut und harter Faust“ Lebensraum, denn, so Roloff, „der eine schlägt, der andere wird geschlagen“. Kumlehn: „Das sind die Grundlagen, mit denen der Überfall auf Polen und die Sowjetunion gerechtfertigt wurde.“
Und doch hat das Ganze auch komische Momente. So wird Eulenspiegels Humor als „germanischer Wesenszug“ gedeutet. Eben das war er nicht. Böse waren die Streiche des Narren, rücksichtslos, zynisch, voller Ironie und Tücke, voller unappetitlicher Details, wie seine Vorliebe für Scherze mit Exkrementen beweist.
Ein nordischer Herrenmensch, wie Roloff meint, war er ebenfalls nicht. Denn sein Eulenspiegel kämpft nicht gegen Satte und Etablierte. Seine Zielscheibe sind „Meckerer, Judenfreunde, Hamsterer, Säufer, kurzum alle üblen Zeitgenossen, die auf unserer schönen Welt ein überflüssiges Leben führen“, wie es in Peter Ostens 1940 veröffentlichtem Buch „Till ist wieder im Lande“ heißt.
Und von da aus ist es ein kurzer Weg: Der Till Peter Ostens setzt Menschen mit blutsaugenden Tieren gleich, die es auszumerzen gilt.
Das alles wird im Schöppenstedter Eulenspiegel-Museum ausgeblendet, hat Kumlehn recherchiert. Laut Website beginnt die Museumsgeschichte erst 1947. Eine Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus findet nicht statt. Hierzu gibt es mehr in zwei weiteren Vorträgen am 23. August und 25. Oktober.