„Die Hitlerdiktatur ist zwar militärisch, aber nie ideologisch besiegt worden.“

Ralpf Giordano am 19.03.1997 in Braunschweig

Einführung

Die Wolfenbütteler Nazis bildeten die Keimzelle des Nationalsozialismus im Freistaat Braunschweig. Die NSDAP-Ortsgruppe wurde hier bereits im November 1922 gegründet, in Braunschweig im Februar 1923. Im Juni 1923 trat die Partei erstmalig in einem größeren Rahmen an die Öffentlichkeit. In Kneitlingen, dem Dorf, das als Geburtsstätte Till Eulenspiegels gilt, trafen sich Nationalsozialisten mit ihren Kameraden der gerade gegründeten SA zu einer großen Sonnenwendfeier. Dieses Treffen gilt als Grundstein für die Entwicklung der NS-Partei in Niedersachsen.

Die Region Braunschweig hat zur Entwicklung und Festigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wirksame Beiträge geleistet: Das Land Braunschweig entwickelte sich zu einem Basislager zur Eroberung der Macht im Deutschen Reich. Bereits ab Oktober 1930 bildeten bürgerliche Parteien mit der NSDAP die Landesregierung. Am 11.10.1931 trafen sich in Bad Harzburg die deutschen Rechtsradikalen mit der Absicht, gemeinsam (Harzburger Front) die Macht zu erobern. Eine Woche später marschierten in Braunschweig auf dem Schloßplatz 100 000 SA-Männer an Hitler vorbei mit der Absicht, allen, auch den rechtsradikalen Parteien, klar zu machen, dass er nur eine Partei, die NSDAP, als Regierungspartei zulassen wollte. Im Februar erhielt Hitler durch die Braunschweiger Koalitionsregierung mit der Ernennung zum Regierungsrat die deutsche Staatsbürgerschaft und damit die Möglichkeit zur Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten. Ein Wolfenbütteler bürgerlicher Landtagsabgeordneter hatte den geeigneten Vorschlag gemacht.

Am 4. Juli 1933 begingen Braunschweiger Nazis das erste große Massaker an Andersdenkenden: Im DGB-Heim Pappelhof bei Königslutter ermordeten SS-Männer elf Gewerkschafter. Am 1. Mai 1933 traten 71 Pfarrer (ein Drittel der Pfarrer im Land Braunschweig) in die NSDAP ein. Die evangelisch-lutherische Landeskirche Braunschweig wählte im September 1933 den praktizierenden SA-Mann und Pastor Wilhelm Beye zum Landesbischof, ihm folgte als Bischof 1934 der im Mai 1933 in die NSDAP eingetretene Pastor Helmuth Johnsen. Am 10. Mai 1933 verbrannten Braunschweiger Studenten auf dem Schloßplatz Bücher inzwischen verfemter Schriftsteller. In den nach Hermann Göring benannten Stahlwerken im Raum Salzgitter mussten Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge unmenschliche Sklavenarbeit leisten. Die Region Braunschweig zwischen Wolfsburg und dem Harz wurde zu einem Sklavenlager grossen Ausmaßes. Im Wolfenbütteler Gefängnis lag eine der Hinrichtungsstätten der deutschen Nazi-Justiz. Braunschweig erhielt wichtige Stätten der faschistischen Erziehung und Ideologie. Ab 1935 wurde der Dom zu einer nationalsozialistischen Weihestätte umgestaltet. Im August 1935 erhielt die Stadt eine vorbildliche Thingstätte am Nußberg und 1936 an der Wolfenbütteler Straße die Akademie für Jugendführung. Das Schloß am Bohlweg wurde als Ausbildungsstätte für SS-Junker missbraucht.

Die jüdischen Gemeinden wurden eliminiert, Synagogen 1938 durch Brandstiftung zerstört und danach abgerissen. Die Juden, denen die Flucht ins Ausland nicht gelang, kamen nach der Deportation um oder wurden ermordet. In Lagern geborene Kinder von Zwangsarbeiterinnen mußten in Kinderheimen, die eher Todeslager für Säuglinge und Kleinkinder waren, zusammengeführt werden. (Gut bekannt sind die Verhältnisse in den Heimen: Rühen, Velpke und Braunschweig in der Broitzemer Straße.)

Und eines Tages werden die, die es erlebt haben, nicht mehr dasein, und niemand wird mehr wissen, wie es war, es wird nur noch alles Legende sein

Aussage eines ehemaligen KZ-Häftlings

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